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Sovereignty.pl ist ein englischsprachiges konservatives Portal, wo polnische Kolumnisten und Kommentatoren über die großen Themen schreiben, die die öffentliche Debatte in ihrer Heimat antreiben.

Lesezeit: 5 Minuten

Das Konzept des Intermariums, einer Einheit für die regionale Zusammenarbeit der Gebiete zwischen der Ostsee, der Adria und dem Schwarzen Meer, wurde 1989 wieder aufgegriffen. Der Autor, ein Amerikaner polnischer Abstammung, zählt auf, was noch getan werden muss, um dieses Konzept in einen Erfolg zu verwandeln.

Dieser Artikel von Marek Jan Chodakiewicz wurde auf Englisch auf Sovereignty.pl veröffentlicht. Um die vollständige englische Version auf Sovereignty.pl zu lesen, klicken Sie bitte hier.

Wladimir Putin hat sich kürzlich zu den angeblichen polnischen Plänen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine geäußert. Es geht um die Wiederherstellung des polnischen Reiches, des Intermariums. Das Intermarium, d.h. die Gebiete zwischen Ostsee, Schwarzem Meet und Adria, tauchte erstmals unter der Jagiellonendynastie, den Großfürsten von Litauen, die zu Königen von Polen wurden, im 15. und 16. Mit dem Niedergang Polen-Litauens im 18. Jahrhundert geriet das Gebiet in Vergessenheit. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Auflösung des Russischen, des Österreichisch-Ungarischen und des Preußisch-Deutschen Reiches erlangte es kurzzeitig wieder lokale Bedeutung. Es wurde jedoch bald durch das Dritte Reich und die Sowjetunion zerschlagen.

Das Intermarium als kooperatives bzw. sogar föderatives Gebilde ist allerdings nach 1989 in Theorie und Praxis wieder aufgetaucht. Was kann getan werden, damit es zum Erfolg wird? Es muss eine regionale Solidarität geben. Dazu bedarf es einer umfassenden Integration aller interessierten Kreise, auch auf Basisebene. Einige dieser Prozesse sind wegen und trotz des Krieges in der Ukraine bereits in Gang gekommen.

(…)

Nach 1989, als die Länder zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria ihre Freiheit wiedererlangten, kehrten einige wieder zu der Idee der regionalen Einheit und Zusammenarbeit zurück. Auf eigene Faust wurden das Visegrád-Dreieck, später Visegrád-Viereck und schließlich die Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei) gegründet – und andere derartige regionale Bündnisse. Überwältigt von der Vision der Europäischen Union fehlte es ihnen an einer eigenen Vision und an Ressourcen, obwohl das Herz am rechten Fleck saß.

Natürlich haben Brüssel und Berlin lange Zeit mit Argwohn auf alternative Ideen und Strukturen wie das Intermarium geblickt, die als Konkurrenz zur EU empfunden werden könnten. Daher gab es keine Hilfe, um die Wiederbelebung der Region aus eigener Kraft zu fördern.

Die Vereinigten Staaten hielten sich an die EU, die in erster Linie als „Westeuropa“ verstanden wurde. Bis vor kurzem hat Washington die postsowjetische Zone, einschließlich des Intermariums, weitgehend ignoriert. Eine Ausnahme bildeten die NATO und die Dienste, die die meisten der dortigen Staaten für den von den USA geführten „Krieg gegen den Terror“ leisteten. Das Intermarium wurde im Sprachgebrauch der amerikanischen Diplomatie zum „Neuen Europa“, wenn auch nur kurz.

Dieses rhetorische Mittel diente eher dazu, den Westeuropäern, insbesondere den Franzosen und Deutschen, eins auszuwischen, als eine konstruktive, langfristige Politik gegenüber den Ländern zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria zu verfolgen. Amerika nahm die Region weiterhin hauptsächlich durch das Prisma von Brüssel, Berlin und Moskau wahr.

Das hat sich 2016 in gewissem Maße geändert. Das Konzept des Intermariums begann, im Weißen Haus an Boden zu gewinnen. Es gab zwei Hauptprioritäten.

Erstens würde die militärische Stärkung der Ostflanke der NATO gegen die zu erwartende russische Aggression es den Vereinigten Staaten ermöglichen, ihre Ressourcen in den pazifischen Raum zu verlagern und sich auf diesen zu konzentrieren, um China entgegenzuwirken.

Zweitens wären Investitionen in die Infrastruktur des Intermariums zur Schaffung eines Energiezentrums in Polen, Kroatien und Bulgarien, das mit amerikanischem Gas und Öl versorgt werden sollte, der beste Weg, um die Energiesicherheit für die Europäische Union und ihre Nachbarn zu gewährleisten. Es wäre eine Win-Win-Situation für alle. Die Amerikaner würden Geld verdienen, und die Europäer würden sich von ihrer Energieabhängigkeit von Russland lösen.

Leider hat die neue amerikanische Führung nach den Wahlen 2020 diesen Plan aufgegeben. Washington versuchte, Deutschland zu beschwichtigen und sich an Moskau anzunähern. Nach dem vom Kreml befohlenen Einmarsch in der Ukraine 2022 änderte sich das Bild jedoch wieder.

Das Intermarium steht wieder in gutem Ruf, da es amerikanische (und andere) Hilfe zur Bekämpfung des Krieges in der Ukraine bereitstellt. Dies bringt bestimmte amerikanische Investitionen mit sich, vor allem im militärischen Bereich. Das reicht für die Region nicht aus, und es ist offensichtlich, dass es dem Weißen Haus an einer langfristigen Strategie fehlt.

Die Regierungen Ost- und Mitteleuropas sollten sich darauf konzentrieren, die Situation zu nutzen, um dieses flüchtige militärische Interesse in dauerhaftere amerikanische Sicherheits- und Investitionsverpflichtungen umzusetzen.

Alle Nationalstaaten in der Region sollten sich bemühen, so viele bilaterale Abkommen wie möglich mit den Vereinigten Staaten zu schließen. Diese sollten über militärische Angelegenheiten hinausgehen und Handel, Infrastruktur und andere Projekte betreffen.

Darüber hinaus sollten sich diese Nationen untereinander abstimmen und als Block auftreten, um die USA zu ermutigen, sich daran zu gewöhnen, mit ihnen als einer geeinten Einheit des Intermariums mit gemeinsamen Interessen umzugehen. Im Moment ist es nicht notwendig, alle Länder der Region einzubeziehen, aber mit der Zeit könnte dies sehr effektiv sein. So können beispielsweise die baltischen Staaten in Angelegenheiten, die nur sie selbst betreffen, gegenüber dem Weißen Haus allein handeln. Wenn es sich jedoch um eine allgemeinere Angelegenheit handelt, die mehr als nur sie selbst betrifft, sollten sie sich an die Visegrád-Gruppe wenden, damit diese sich ihnen anschließt und mehr Gewicht erhält.

(…)

Es gibt einige ermutigende Anzeichen dafür, dass sich die Solidarität im Intermarium entwickelt hat. Zum Beispiel haben die ost- und mitteleuropäischen Staaten in Brüssel hartnäckig darauf bestanden, kommunistische Massenmorde und andere Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Das kommt bei vielen westeuropäischen Linken und anderen Marxisten-Apologeten nicht gut an, aber bisher hat der Intermarium-Block im Europäischen Parlament standgehalten.

Ein weiteres Zeichen der Solidarität ist, dass derselbe Block in der EU tendenziell amerikafreundlich ist. Man muss den Brexit also nur aus diesem Grund beklagen: Großbritannien hat sich genauso verhalten wie die Intermarium-Nationen. Jetzt sind die Briten weg und die Polen und andere aus dem Intermarium reichen nicht aus, um den aktuellen Anti-Atlantizismus des deutsch-französischen Teams auszugleichen.

Die Briten sind jedoch immer noch in der NATO. Die Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses sollte so eng wie möglich sein. Die Truppen sollten für militärische und kulturelle Ausbildung rotieren. Ein einmonatiger Aufenthalt eines spanischen Soldaten in Estland könnte ihm helfen, die Gefahr des russischen Imperialismus zu begreifen. Ein Einsatz eines tschechischen Grenzsoldaten in Portugal wird ihm die Bedrohung durch unkontrollierte Einwanderung aus der Dritten Welt deutlich machen.

Alles in allem haben die Regierungen des Intermariums alle Hände voll zu tun. Und die einfachen Menschen? Sie sollten nicht zulassen, dass ihre gewählten Politiker ihnen die Show stehlen. Es reicht nicht aus, für Intermarium-freundliche Politiker zu stimmen. Die Bürger sollten weiterhin aktiv sein und ihre Aktivitäten auf mehreren Ebenen ausweiten.

Erstens sollten die Kommunalverwaltungen auf Dorf- und Stadtebene mit ihren Pendants in allen Intermarium-Nationen Kontakt aufnehmen und ein Netz von Partnerstädten und -dörfern aufbauen (bzw. verstärken).

Zweitens sollten die lokalen Handelskammern, Unternehmen und Betriebe diesem Beispiel folgen. Dazu sollten sowohl riesige staatliche (oder private – was in der Region viel seltener vorkommt) Konglomerate als auch kleine Firmen und alles dazwischen gehören. Das ist gut für die Wirtschaft und gut für die menschlichen Kontakte.

Drittens sollte es eine Diplomatie von Mensch zu Mensch außerhalb von Regierung und Wirtschaft geben. Zum Beispiel sollten kroatische Lehrer nach Lettland reisen, um Erfahrungen auszutauschen. Ungarische Kinder sollten an Fußballturnieren von Gymnasien in Bulgarien teilnehmen. Es sollte lokal gestiftete Stipendien geben, um überall im Intermarium studieren zu können, wo man möchte.

Schon bald können solche Basisbemühungen von lokalen und bilateralen zu regionalen und multilateralen Aktivitäten übergehen. Die besonderen Beziehungen, die an der Basis zwischen den Völkern des Intermariums geschmiedet werden, werden jedoch fortbestehen und gedeihen. Die Komponente von unten nach oben ist ein entscheidender Faktor für die Förderung der regionalen Solidarität.

Übersetzung: Visegrád Post