Spanien – Etwas weniger als zwei Monate nach ihrem Gipfeltreffen in Warschau trafen sich die Parteien, die im Juli letzten Jahres die Deklaration für die Zukunft Europas unterzeichnet hatten, am Freitag und Samstag auf Einladung der Partei Vox in Madrid, um ihrer Zusammenarbeit in Brüssel Gestalt zu verleihen. Da es ihnen nicht möglich ist, vor den nächsten Wahlen eine gemeinsame Fraktion im Europaparlament zu gründen (vor allem wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden italienischen Rechtsparteien), beschlossen sie bei diesen Treffen am 28. und 29. Januar, ein Koordinationsbüro zu gründen, um „die Kräfte zu bündeln“ und im Europaparlament gemeinsam für die Themen abzustimmen, die ihnen am Herzen liegen. Am Rande dieses Gipfels der europäischen Rechten, auf dem Parteien aus zehn Ländern (Spanien, Frankreich, Belgien, Österreich, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Litauen und Estland) diskutierten, fanden Gespräche zwischen den vier wichtigsten anwesenden Parteichefs statt: den Ministerpräsidenten Polens und Ungarns, Mateusz Morawiecki und Viktor Orbán, dem Vorsitzenden der liberal-konservativen spanischen Partei Vox, Santiago Abascal – der Gastgeber dieses Treffens war –, und der Vorsitzenden des französischen Rassemblement National, Marine Le Pen.
Diese regelmäßigen Treffen zwischen mehreren Mitgliedsparteien der Fraktionen Identität und Demokratie (u.a.: RN, Lega und FPÖ – aber ohne die deutsche AfD) bzw. der Europäischen Konservativen und Reformer (u.a.: PiS, Vox und Fratelli d’Italia) im Europäischen Parlament sowie dem Fidesz, der seit seinem Austritt aus der EVP noch keiner Fraktion beigetreten ist, haben auch das Ziel,
alternative Überlegungen anzustellen im Vergleich zu der von Emmanuel Macron angestrebten Konferenz zur Zukunft Europas, die aus vereinbarten Debatten besteht, von denen sich die Konservativen und die Befürworter eines Europas der Nationen ausgeschlossen fühlen.
Das Signal für den Start eines solchen Bündnisses rechter Parteien in Europa war mit der Unterzeichnung der Deklaration für die Zukunft Europas im vergangenen Juli gegeben worden.
Auf dem Gipfeltreffen in Madrid wurde daher am Ende der Diskussionen eine neue gemeinsame Erklärung abgegeben. Eine Erklärung, in der sich die Teilnehmer als „patriotische und konservative Kräfte in Europa“ bezeichnen und ankündigen, „gemeinsame Treffen zu organisieren und die Abstimmung an gemeinsamen Fragen auszurichten, die den Schutz der Souveränität der EU-Mitgliedstaaten betreffen“.
Die verabschiedeten gemeinsamen Standpunkte betreffen gerade die Ablehnung der „Umwandlung der EU in einen ideologiebeladenen föderalistischen Superstaat“ und den Wunsch nach „einer EU, die sich auf gemeinsame europäische Werte konzentriert, auf die Menschen, ihre Familien, den Schutz ihrer Grenzen und die Freiheit, Energie, Industrie und einen starken Primärsektor zu haben“, mit einer „Kultur des gegenseitigen Respekts zwischen den Mitgliedstaaten und mit europäischen Institutionen, in der die Verfassungsidentitäten gewahrt und nicht kritisiert werden.“
In diesem Zusammenhang haben sich die Unterzeichner dieser Erklärung die Mühe gemacht, „die politisch motivierten, eine völlige Missachtung der Grundprinzipien der EU zeigenden und den Geist der Verträge verletzenden Angriffe Brüssels auf Polen und Ungarn“ zu verurteilen und sich zu verpflichten, ihre Kräfte zu bündeln, um „Europa vor aufgezwungenen Ideologien und antidemokratischem Abdriften zu schützen, die zu seinem Untergang führen“.
Zu diesem Zweck wollen sie „das Prinzip der europäischen Präferenz durchsetzen“, um die Landwirtschaft und die Industrie unserer Länder zu unterstützen, „die von Brüssel geförderte Einwanderungspolitik und die Ineffizienz von Frontex anprangern“, „auf eine größere europäische Energiekapazität hinarbeiten“, und zwar „unter Achtung der Umwelt, aber ohne sich der Auferlegung ideologischer Vorurteile zu unterwerfen“, die „zu den untragbaren Energiepreisen beiträgt“, „in allen Fällen die strikte Einhaltung der Verträge fordern und jede Initiative zur ungebührlichen Ausweitung der Kompetenzen der EU-Institutionen entschieden zurückweisen“, „für den Vorrang der nationalen Verfassungen vor dem EU-Recht und der nationalen Gesetze vor den EU-Verordnungen in allen Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen, eintreten“, „die Rückführung aller Einwanderer intensivieren, die illegal in die EU einreisen“ und ausländische Straftäter und Kriminelle zurückschicken sowie Asylwerber erst nach Gewährung von Asyl in das europäische Hoheitsgebiet einreisen lassen.
Auf Drängen des Polen Mateusz Morawiecki, der wusste, dass er zu Hause für dieses Gipfeltreffen mit politischen Führern, die von Liberalen und Linken systematisch als pro-Putin bezeichnet werden, kritisiert werden würde, verurteilte ein Absatz der gemeinsamen Erklärung Russlands Vorgehen an der Grenze zur Ukraine und bekräftigte, dass „Solidarität, Entschlossenheit und Zusammenarbeit bei der Verteidigung zwischen den Nationen Europas angesichts solcher Bedrohungen notwendig sind“.
Dieser Absatz fehlt jedoch in der auf Französisch auf der Seite des Rassemblement National veröffentlichten Version, da Marine Le Pen ihn nicht paraphieren wollte.
Im gleichen Sinne sollte Morawiecki am 1. Februar nach Kiew reisen, um über die russische Bedrohung und die polnische Unterstützung für die Ukraine zu sprechen, einen Tag nachdem Polen angekündigt hatte, Munition zu liefern (obwohl Polen bislang niemals Waffen an die Ukraine geliefert hatte), während sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán am selben Tag nach Moskau reisen sollte, um über die russisch-ungarische Zusammenarbeit, insbesondere im Energiebereich, zu sprechen.
Da jedoch die unterschiedlichen Einschätzungen zwischen Polen und Ungarn die beiden Länder nicht daran hindern, eine privilegierte Beziehung zu pflegen, und ihre Führer nicht daran hindern, im Rahmen der Visegrád-Gruppe eng zusammenzuarbeiten, sollten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den in Madrid versammelten Führern logischerweise auch kein Hindernis für ihre Zusammenarbeit in den Bereichen darstellen, in denen sie sich einig sind.
Mit diesem neuen Gipfeltreffen bestätigen die polnischen und ungarischen Führer, dass sie zur Kenntnis genommen haben, wie schwierig es ist, innerhalb der EU mit Führern wie dem Franzosen Emmanuel Macron oder dem Deutschen Olaf Scholz zusammenzuarbeiten, die beide eine föderale EU befürworten. Der französische Präsident seinerseits machte mit seiner Rede am 19. Januar im Europäischen Parlament anlässlich der Eröffnung der französischen EU-Ratspräsidentschaft deutlich, dass er sich für die Konfrontation mit Warschau und Budapest entschieden habe.
Die Schwierigkeit für die polnischen und ungarischen Führer besteht jedoch darin, dass ihre Partner im Europaparlament alle in der Opposition sind. Für Frankreich wird sich im April zeigen, ob sie auf das richtige Pferd gesetzt haben, aber selbst wenn Eric Zemmour statt Marine Le Pen gegen Emmanuel Macron gewinnen sollte, kann man wohl davon ausgehen, dass, da der Schritt mit dem Rassemblement National getan wurde – was vor nur zwei oder drei Jahren noch unmöglich schien – er dann auch mit Zemmours Partei „Reconquête“ [Rückeroberung, AdÜ] getan werden kann. Was Valérie Pécresse betrifft, so erwarten die polnischen und ungarischen Regierungschefs offensichtlich nicht, dass sie einen bedeutenden Wendepunkt in der französischen Politik herbeiführen würde.
Auf italienischer Seite fiel die Abwesenheit des Lega-Chefs Matteo Salvini und der Fratelli-d’Italia-Chefin Giorgia Meloni in Madrid, wie schon vor zwei Monaten in Warschau, umso mehr auf, als der konservative Gipfel zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem sich die beiden rechten Parteien Italiens über die Frage der Wiederwahl des linken Staatspräsidenten Sergio Mattarella durch das Parlament zerfleischten, wobei Salvini und seine Fraktion, die der Regierungskoalition der „nationalen Einheit“ (allerdings ohne die in der Opposition verbliebene Fratelli d’Italia) des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi angehört, zur großen Entrüstung Melonis für Mattarella stimmten.
In Spanien schließlich, wo es um die großen EU-Länder geht, die in der Lage sind, das Blatt in Brüssel zu wenden, scheint Santiago Abascals Partei Vox dazu verurteilt zu sein, gegenüber der Mitte-Rechts-Partei Partido Popular (PP) in der Minderheit zu bleiben. Andererseits zeigen aufeinanderfolgende Meinungsumfragen, dass die PP bei einem baldigen Sieg der Rechten nicht mehr ohne sie regieren kann. Daher könnte Vox eines Tages die spanische Europapolitik beeinflussen, auch wenn sie nie eine Mehrheit hat.