Von Raoul Weiss.
Europa – Petri Tuomi-Nikula, ehemaliger Botschafter in Budapest eines Landes (Finnland), wo die meisten Kinder heutzutage in vaterlosen „Familien“ geboren werden, ohne die Identität ihrer Väter zu kennen (die das Risiko niemals eingegangen wären, sie nicht anonym zu zeugen, sprich den unter dem Namen „skandinavisches Paarleben“ bekannten Gulag freiwillig zu betreten), hat neulich erklärt, dass „Ungarn eines der korruptesten Länder der [Europäischen] Union“ sei.
Eigentlich sollte man sich beinahe darüber freuen, da im Neusprech der westlichen Eliten „korrupt“ immer öfter zum Synonym für „heterosexuell“ wird.
Doch ist womöglich dabei ein Detail der Aufmerksamkeit vieler ausländischen und sogar ungarischer Beobachter entgangen. Diese ziemlich wenig protokollarische Erklärung war eine Retourkutsche nach den (hart aber vorsichtigen) Kommentaren Viktor Orbáns in seiner diesjährigen Rede in Tusnádfürdő (über die ich heuer nicht vor Ort berichten konnte, da die Junta an der Macht in Bukarest mir Aufenthaltsverbot auferlegt hat) über die finnische Interpretation – dermaßen suo generis – des Begriffs Rechtsstaat. Dieses Land ohne Verfassungsgericht, dessen demokratisches Leben sehr viel kürzer als dasjenige Ungarns ist, und wo die politisch motivierten Ernennungen in der staatlichen Presse gang und gäbe sind, hatte sich in der Tat erlaubt, den Zustand der ungarischen Institutionen zu kommentieren. Doch hat der ehemalige Botschafter Petri Tuomi-Nikula in Wirklichkeit nicht auf Viktor Orbáns Äußerung geantwortet – was übrigens nicht leicht gewesen wäre (er hätte wohl die Existenz eines obersten Gerichts, eines politisch unabhängigen Rundfunkrates usw… erfinden müssen). Eigentlich hat er ja doch geantwortet, allerdings gemäß einer so schockierenden Logik, dass er selbst Mühe hätte, dies zu explizieren.
Nun ist aber diese Logik nichts Anderes als die des Westens, seitdem er zum Reich des Guten mutiert ist: die Logik des Brüsseler liberalen Konsenses und seiner sozial-kulturellen Verbündeten der urbanen bourgeoisen Compradores der „erweiterten Union“.
Es ist die gleiche Logik, die – von der ungarischen (massiv kollaborationsbereiten und wahrscheinlich vom rumänischen tiefen Staat unterwanderten) Presse Siebenbürgens akzeptiert – sich einen Weg bis in den öffentlichen Diskurs Ungarns unter der Form der vorige Woche vom „rumänischen“ Präsidenten Johannis geschaffenen riesigen Fake news gebahnt hat: die Kriminalität (deren im Vergleich zum europäischen Durchschnitt in Rumänien eher bescheidene Existenz neulich durch das Unwesen eines Serientäters die Aufmerksamkeit der Massen erregte) sei durch die Reformen des Strafrechts befördert worden, die die PSD-ALDE-Regierung unter Liviu Dragnea im Frühling beschlossen hat, obwohl die freiheitseinschränkenden Aspekte, die reformiert wurden, mit Bluttaten gar nichts zu tun haben!
Hier auch sind die unmittelbaren Beweggründe der Lüge sehr deutlich. In einem vom Rückgang des Religiösen betroffenen Rumänien entdeckte man en passant, dass die politisch-mediatische Aasfresserei zugenommen hat: beinahe alle politischen Kreise des Landes hielten es für richtig, aus dem Drama von Caracal Kapital schlagen zu wollen. Allen voran die Anhänger – Johannis an der Spitze – des rumänischen „Parallelstaats“ (jener „Dienste“, die nur sich selbst dienen und missbräuchlich „geheim“ genannt werden): obwohl sie europaweit über das meiste Personal verfügt, wäre die Neo-Securitate nicht in der Lage, die Quelle eines Anrufs an die 112 schnell genug zu lokalisieren, um einen sadistischen Mord zu verhindern. Also muss man freilich die Befugnisse der Securitate erweitern. Wenn Bolschewismus oder Liberalismus nicht zu funktionieren scheinen, dann soll man bloß die Dosierung erhöhen! Und die Koryphäen des Parallelstaats fordern dann allen Ernstes, dass die geheimen (!) Protokolle zwischen Rumänischem Informationsdienst (Serviciul român de informații, SRI) und Justiz, Polizei und Medien (!) wiedereinzuführen, die die Koalition Liviu Dragneas abschaffen ließ, bevor letzterer politisch eliminiert wurde.
Was den ersten Punkt betrifft, so hat die von Viorica Dăncilă geführte PSD-ALDE-Regierung der Post-Dragnea-Ära, die anscheinend nach und nach das Niederknien zur olympischen Disziplin machen wird, der Erpressung bereits nachgegeben: in ihrer neuen Budgetplanung wird die Dotation des Rumänischen Informationsdienstes (sprich der politischen Polizei) – der schon jetzt über das größte „Sicherheits“-Budget der EU verfügt –um 84 Millionen Euro aufgestockt, während diejenige des Bildungswesens (dessen Ministerin gerade entlassen wurde, weil sie sich erlaubte zu bemerken, dass Eltern ihre Kinder erziehen sollten) um 218 Millionen gesenkt wird.
Als Galionsfigur besagten Parallelstaats, dem er wahrscheinlich seine gesamte Karriere verdankt, hat sich Johannis darum gekümmert, dieser freiheitraubenden Botschaft eine politische Formulierung seiner Feder zu liefern, indem er „Inkompetenz und Korruption“ anprangerte. Trotz des unziemenden Opportunismus dieses Schrittes kann man in dessen Worten doch wohl die ideologische Kohärenz des „antipopulistischen“ Lagers Mitteleuropas, das in Polen durch Donald Tusk, in Tschechien durch Mirek Topolánek, in Ungarn durch Ferenc Gyurcsány und András Fekete-Győr usw. vertreten wird. Für die Ideologen jenes Lagers – und freilich für ihre westlichen Paten à la Tuomi-Nikula – kommen die Probleme dieser Länder nicht von importierten todbringenden Ideologien wie Bolschewismus, Neoliberalismus, Transhumanismus, LGBT usw. und auch nicht von der gewaltigen finanziellen und menschlichen Entnahme, die die internationalen Konzerne in diesem Randgebiet praktizieren, das gerade dafür gut ist, Arbeitskraft zu liefern und billige Produkte zu kaufen. Nein, ihre Ursache sei einfach ethnisch bedingt…
Ohne es je deutlich zu sagen (und zwar wegen der politisch-korrekten Gründe, die man seit 1945 kennt), betrachten sie die Wähler des PiS in Ostpolen, des Fidesz in der ungarischen Provinz oder der PSD in den rumänischen Kleinstädten ganz einfach als Untermenschen, die vom „Kompetenzniveau“ ihrer verwestlichten Cousins aus Klausenburg, Danzig oder der Innenstädte von Budapest und Prag nicht mal träumen können und sich daher in die Korruption verflüchten, sprich sie würden die Arbeitsplätze, die Ressourcen, den Lebensraum sozusagen,… der veganen und metrosexuellen Übermenschen dieser Zentren wegnehmen…
Dadurch versteht man besser, was Herr Tuomi-Nikula sagen wollte: Finnland verfügt zwar über weniger institutionelle Schutzmaßnahmen als Ungarn gegen Willkür, Korruption, Demagogie usw. aber eben, weil es viel weniger davon braucht. Es wird doch ja mit Skandinaviern bevölkert, sprich von entwickelten Europäern, die es als eine Selbstverständlichkeit hinnehmen, dass es rund vierzig unterschiedliche Geschlechter gäbe, dass man die einheimische Bevölkerung im Namen eines enigmatischen Klimawandels kulturell sterilisieren solle, und Riesenmengen Anxiolytika lutschen statt wie Barbaren in einer kocsma oder einer crâșma [jeweils eine Kneipe, NdÜ] zu trinken und zu rauchen und dabei eine heterosexuelle Lebensweise an den Tag zu legen, die man nunmehr inmitten des klimatisierten Alptraums (um einen der talentvollsten Jünger K. Hamsuns wie H. Miller zu zitieren) angemessen „Korruption“ nennt.
Übersetzt von Visegrád Post.