Von Olivier Bault.
Polen – Die Ministerpräsidenten Polens und Israels unterzeichnen eine gemeinsame Erklärung, um dem Konflikt ein Ende zu setzen.
Die Änderungsanträge zum polnischen Erinnerungsgesetz bezüglich der Shoah und der Nazi-Verbrechen in Polen, die zu Spannungen zwischen Polen einerseits und Israel, einem Teil der jüdischen Organisationen und den USA andererseits geführt hatten, waren Ende Januar verabschiedet worden. Am 27. Juni wollten die Ministerpräsidenten Polens und Israels der Polemik ein Ende setzen und unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung, während das polnische Parlament innerhalb eines Tages die Bestimmung der neuen Fassung des Erinnerungsgesetzes aufhob, die diejenigen mit Gefängnisstrafe ahndete, die „die Verantwortung bzw. die Mitverantwortung für die vom III. Reich begangenen Nazi-Verbrechen der polnischen Nation oder dem polnischen Staat zuweisen“ würden. Um diesen Rückzieher zu erklären, behaupteten die Anführer des PiS, dass diese Bestimmung sowieso unmöglich umzusetzen war. Sie versprachen auch den Polen, dass Warschau weiterhin die Anstrengungen unterstützen würde, die Personen und Medien zivilrechtlich zu verfolgen, die den Ausdruck „polnische Todeslager“ benutzen, um die deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen zu bezeichnen.
In ihrer gemeinsamen Erklärung verurteilten Mateusz Morawiecki und Benjamin Netanjahu den Gebrauch dieses Ausdrucks, der darauf ziele, die deutsche Verantwortung zu mindern. Während sie die von manchen Polen während des 2. Weltkrieges gegen Juden verübten Verbrechen verurteilten, erinnerten sie auch an die Heldentaten derjenigen, die ihr Leben riskierten, um Juden zu retten, bzw. an die Anstrengungen der polnischen Exilregierung, um dem deutschen kriminellen Unterfangen entgegenzuwirken, indem sie die Alliierten über den sich abspielenden Völkermord informierten. Sie erinnerten ebenfalls an die Rolle der Untergrundstrukturen, die unter der Aufsicht der Exilregierung in London den Juden Hilfe leisteten und Polen mit der Todesstrafe ahndeten, die Juden denunzierten.
Die beiden Regierungschefs betonten ebenfalls ihre Unterstützung für eine freie und offene historische Meinungsäußerung über alle Aspekte der Shoah, verurteilten jede Form von Antisemitismus bzw. Antipolonismus und appellierten zur Rückkehr zu einem respektvollen Dialog in der Öffentlichkeit.
Das Außenministerium der USA, das auf beide Länder Druck ausübte, damit sie zu einer Verständigung kommen, aber auch mehrere jüdische Organisationen bzw. die israelische Botschafterin in Polen – die, gemäß ihren polnischen Kritikern, nicht allzu wenig dazu beigetragen hatte, Öl ins Feuer zu gießen – freuten sich, dass man zu einer Verständigung gekommen sei und besonders dass Polen auf diesen umstrittenen Paragraph seines Erinnerungsgesetzes verzichtet habe. Traditionell ist Polen eine der seltenen Stützen Israels innerhalb der Europäischen Union und die durch das neue polnische Erinnerungsgesetz bzw. die Heftigkeit der israelischen Reaktionen verursachten Spannungen lagen im Interesse keines der beiden Länder. Ihrerseits waren sich die Polen in der Tat bewußt, dass ihre Lobby in Washington nicht in der Lage ist, gegen die jüdische bzw. israelische Lobby zu konkurrieren, und man war in Warschau über die Konsequenzen besorgt, die ein solcher Konflikt langfristig für die strategischen Interessen Polens haben könnte.
Muss man da einen Zufall sehen? Während der gesamten Dauer des Konflikts mit Israel suchte Warschau einen Kompromiss mit Brüssel bezüglich der Reform seines Justizsystems, doch gab schließlich der israelischen Forderung nach, den umstrittenen Paragraphen seines Erinnerungsgesetzes aufzuheben, während ein solches Kompromiss mit Brüssel sich aufgrund der Unnachgiebigkeit der Europäischen Kommission als unmöglich erwies. Offensichtlich kann sich Polen nicht leisten, gleichzeitig mit Brüssel und Washington zu streiten, im Gegensatz zu Ungarn, das die russische Karte hatte spielen können, wenn das ihm unter der Präsidentschaft Barack Obamas passiert war.
Aus dem Französischen übersetzt von Visegrád Post.