Von der Redaktion.
Ungarn – Die Visegrád Post hat in einem längeren Artikel die erstaunliche Wende der Jobbik schon erwähnt bzw. über die im März 2019 von allen Oppositionsparteien (inklusive der Jobbik) getroffene Entscheidung berichtet, gemeinsame Kandidaten bei den kommenden Gemeindewahlen im Oktober 2019 aufzustellen, und zwar in der gleichen Logik wie die im Februar 2018 in Neumarkt an der Theiß (Hódmezővásárhely) mit Péter Márky-Zay initiierte Strategie, die diesem Oppositionsblock ermöglicht hatte, den Fidesz-Kandidaten zu besiegen.
Die Europawahlen vom Mai 2019 haben die Vorherrschaft des Fidesz bestätigt bzw. die Karten bezüglich der Kräfteverhältnisse innerhalb der Opposition neu gemischt. Während die Jobbik im April 2018 noch mit 20% der Stimmen die erste Kraft der Opposition war, stürzte sie bei den Europawahlen auf 6,34% ab und bekam nur noch einen einzigen Sitz. Die sozialistische MSZP stürzte ebenfalls auf 6,61%, während die grüne LMP sogar auf 2,18% sank. Die Gewinner innerhalb der Opposition sind die Demokratische Koalition (Demokratikus Koalició, DK) des früheren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, der mit 16% ein Durchbruch gelang bzw. die junge Partei Momentum mit 10%.
Dieser Rückschlag für die Jobbik hat keinen großen Einfluss auf deren Strategie der Allianz mit den anderen Oppositionsparteien gehabt, außer diese sogar zu beschleunigen bzw. konsistenter zu machen.
In Budapest hatten Jobbik und LMP sich ursprünglich darauf geeinigt, die Kandidatur des Polemikers Róbert Puzsér zu unterstützen… doch sind diese beiden Parteien auf Landesebene abgestürzt und stellten in Budapest – wo die LMP traditionell stark war – kaum noch 3% bei den Europawahlen dar. Diese Ergebnisse haben daher der Puzsér-Strategie ein Ende gesetzt. Ihrerseits haben die anderen Oppositionsparteien (MSZP, PM, DK, Momentum) ihre Vorwahl organisiert, bei der Gergely Karácsony – ehemaliger Spitzenkandidat der MSZP-PM-Liste bei den Parlamentswahlen und Bürgermeister des 14. Budapest Stadtbezirk (Lerchenfeld) – als Sieger hervorgekommen ist.
Die Jobbik und die LMP haben sich nun schließlich der Kandidatur Karácsonys angeschlossen und manche von ihnen wurden sogar als Spitzenkandidaten des Oppositionsbündnisses in einigen Stadtbezirken eingesetzt.
Diese Bündnisstrategie wurde ebenfalls im ganzen Land ausgeweitet. So konnte die Jobbik, die bei den Wahlen zu einer Randerscheinung verkommen ist, immerhin die Unterstützung in einigen Städten erhalten, so in Erlau (Eger) mit Ádám Mirkóczki bzw. in Neustadt an der Donau (Dunaújváros) mit Tamás Pintér.
Dagegen zogen die linken Parteien ihre Unterstützung für den ausscheidenden Jobbik-Bürgermeister Dávid Janiczak in Ózd (Nordungarn) wegen mehrerer in der Presse bekanntgewordenen Skandale zurück.
So verwirklichen die Jobbik und die anderen Oppositionsparteien mit etwas mehr als einem Jahr Verspätung die Prophezeiung des Fidesz, der anfangs 2018 angekündigt hatte, dass alle Oppositionsparteien verbündet waren – unter der Schirmherrschaft George Sorosʼ, so die Fidesz-Diktion.
Obwohl Budapest die „Schwachstelle“ des Fidesz darstellt – 41% der abgegebenen Stimmen bei den Europawahlen, so ist es doch ziemlich wahrscheinlich, dass Bürgermeister István Tarlós für eine dritte Amtszeit wiedergewählt werde. Allerdings bleibt zu abzuwarten, ob die vereinigte Opposition in manchen Städten in der Provinz Erfolg haben kann und ob diese erste Implementierung einer so breiten Zusammenarbeit der Auftakt einer Plattform für die Parlamentswahlen 2022 sein wird.
Bis dahin ist es vorstellbar, dass der Stimmenanteil von Jobbik und MSZP – und ihres Partners PM – so sehr abgestürzt sei, dass die Bildung einer gemeinsamen Oppositionsliste zum einzigen Weg werde, um die 5%-Hürde überhaupt erneut zu schaffen bzw. Mandatare im Parlament zu haben. Wie werden also dann die neuen Schwergewichte der Opposition (DK und Momentum) reagieren? Werden sie einige historischen Figuren der Jobbik – unter den weniger kompromittierten – und der MSZP zurückholen? oder werden sie ihre Vorherrschaft ausnutzen, um letztere endgültig zu begraben? Die politische Saga der ungarischen Opposition geht somit weiter…