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Kommission fordert EUGH auf, finanzielle Sanktionen gegen Polen zu verhängen

Lesezeit: 4 Minuten

Polen – Für den polnischen Justizminister Zbigniew Ziobro zeigt die Haltung der Europäischen Kommission, die dem polnischen Parlament das Recht verweigert, die 15 Richter des Landesrats für Gerichtswesen (Krajowa Rada Sądownictwa, KRS) zu ernennen, dass „wir es mit Heuchelei zu tun haben, dass wir es mit Politik und nicht mit Recht zu tun haben, und dass wir es mit einer Aggression gegen Polen unter dem Vorwand des Rechts zu tun haben, die anderen Zwecken dient als der Einführung gleichen Rechts für alle in der Europäischen Union“. Diese Worte fielen auf einer Pressekonferenz am Dienstag, auf der der polnische Minister erneut von einem „legalen hybriden Krieg [sprach,], der gegen Polen an der Wirtschaftsfront geführt wird“: „Denn wenn man die Situation Polens und Deutschlands vergleicht, die Passivität [der Europäischen Kommission – AdR.] gegenüber Deutschland und ihren Aktivismus gegenüber Polen, sollte man diese Aktionen eben so wahrnehmen.“

Was den polnischen Minister erneut verärgerte, war die Nachricht, dass die Von der Leyen-Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) einen Antrag auf finanzielle Sanktionen gegen Polen gestellt hat. Die Kommission begründet diese neue Initiative damit, dass das Urteil des EUGH vom 14. Juli, mit dem Polen angewiesen wurde, die Tätigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs (Kassationshof) auszusetzen, nicht vollständig umgesetzt wurde. Wie die Zeitung Rzeczpospolita anmerkt, hat der EUGH bisher Geldstrafen für die Nichtvollstreckung seiner endgültigen Urteile verhängt. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine einstweilige Anordnung, die von einem Einzelrichter des EUGH in Erwartung eines Urteils in der Hauptsache erlassen wurde, und zwar in einem Bereich, für den der EUGH nach den europäischen Verträgen und der polnischen Verfassung nicht zuständig ist. Die Rzeczpospolita erinnert ihre Leser daran, dass das einzige Mal, dass die Kommission in den letzten Jahren den EUGH um die Verhängung eines täglichen Zwangsgelds wegen Nichtdurchsetzung einer einstweiligen Anordnung ersucht hatte, bereits gegen Polen wegen Baumfällungen im Urwald der Bialowieser Heide (Puszcza Białowieska) war.

Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass die durch eine Reform des Obersten Gerichtshofs von 2017 geschaffene Disziplinarkammer die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der polnischen Richter gefährdet, die unter anderem für die Anwendung des europäischen Rechts zuständig sind.

Die Kommission begründet ihre Kritik damit, dass die Richter dieser neu geschaffenen Disziplinarkammer von Präsident Andrzej Duda auf Vorschlag des (ebenfalls durch ein Gesetz von 2017) reformierten Landesrats für Gerichtswesen  (KRS) ernannt wurden. Infolge der Reform wurden die 15 Mitglieder des KRS (der insgesamt 25 Mitglieder hat) nicht von ihren Kollegen, sondern vom Parlament ernannt (wie dies beispielsweise auch in Spanien der Fall ist).

Weitere Informationen finden Sie (auf Englisch) unter „The European Commission’s attack on the reform of the justice system in Poland: summary, chronology and challenges“.

In Polen reagierte der stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta ebenfalls heftig auf die Ankündigung des Antrags auf eine tägliche Geldstrafe gegen Polen und twitterte: „Deutschland, Spanien, Rumänien und Frankreich. Dies sind die Länder, die die EUGH-Urteile der letzten zwei Jahre nicht anerkannt haben. Rumänien über das Justizsystem. Die EU blockiert rechtswidrig Gelder für Polen und fordert Sanktionen. Dies sind Akte der Aggression. Die EU-Gremien haben einen illegalen Angriff gestartet, nachdem sie den EU-Haushalt genehmigt hatten.

Es geschieht in der tat das, was Minister Ziobro wegen der Aughebung des Vetos Polens und Ungarns während der Diskussionen über den EU-Haushalt für 2021-27 und den EU- Wiederaufplan Next Generation EU befürchtet hatte.

Sobald das Veto aufgehoben wurde, verstärkten Europäische Kommission und Europaparlament – unterstützt von einem EUGH, der die Verträge immer schnell neu auslegt, um der EU einen föderalen Impuls zu geben – ihre Angriffe auf Polen und Ungarn in Bereichen, die normalerweise in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen.

Die Europäische Kommission erpresst nicht nur den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, damit er seine Klage vor dem Verfassungsgericht in der Frage des Vorrangs der polnischen Verfassung vor dem EU-Recht in der Auslegung des EUGH zurückziehe, sondern behauptet auch, die polnischen Gebietskörperschaften zu zwingen, sich aktiv an der Verbreitung der LGBT-Ideologie zu beteiligen. Brüssel droht damit, die Finanzierung von Gebietskörperschaften auszusetzen, die eine Charta für die Rechte der Familien angenommen haben, in der „gleichgeschlechtliche“ Familien nicht erwähnt werden, bzw. die Erklärungen angenommen haben, in denen sie sich verpflichten, keine LGBT-Ideologie zu propagieren – insbesondere in den Schulen, für die sie zuständig sind. Am 3. September schickten die Dienststellen der Europäischen Kommission ein weiteres Schreiben an fünf polnische Woiwodschaften, die solche Erklärungen angenommen hatten, und baten um weitere Erläuterungen. Dies geschieht im Rahmen eines neuen Verfahrens, das die Kommission am 15. Juli eingeleitet hat. Bei der Einleitung dieses Verfahrens erklärte die Kommission, dass diese Erklärungen – die keine rechtliche Wirkung haben – die Gefahr bergen, „gegen das EU-Recht zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu verstoßen“.

Professor Ryszard Legutko, der PiS-Europaabgeordneter und Co-Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ist, gibt sich im Interview mit dem Portal wPolityce.pl keinen Illusionen hin, was die Antwort des EUGH auf den Antrag der Europäischen Kommission auf Verhängung einer Geldstrafe in dieser Woche angeht:

„Das Recht gilt nicht in der EU, also glaube ich nicht, dass wir uns auf die Justiz verlassen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der EUGH der polnischen Regierung Recht geben wird, selbst wenn ihre Argumente stichhaltig sind. Ich habe bereits Entscheidungen des EUGH gesehen, die einen klaren Verstoß gegen die Verträge darstellten.

“ Was das Europaparlament betrifft, so erklärt Legutko: „Das EP erwägt jetzt die Einführung einer Art interinstitutionellen Instrumente, mit dem alle Institutionen gemeinsam gegen Regierungen vorgehen würden, die die Vorschriften nicht einhalten. Wir [die EKR-Fraktion] protestieren dagegen und sagen, dass die Verträge in dieser Frage das Verfahren nach Artikel 7 vorsehen und das war’s dann auch schon. Aber sie werden trotzdem dafür stimmen, weil sie die Mehrheit haben. Dies ist eine unglaubliche Missachtung des Rechts. Seit der kommunistischen Ära habe ich keine derartige Missachtung des Rechts mehr erlebt“.

Der polnische stellvertretende Ministerpräsident Jacek Sasin stimmt dem zu:

„Es ist heute klar, dass der vorherrschende Trend in Europa darin besteht, sich vom europäischen Recht zu entfernen und auf Gewalt zu setzen. Dies ist nicht die Europäische Union, der wir beigetreten sind. (…) Wir stehen jetzt vor einer Infragestellung der rechtlichen Grundlagen, die die Union geprägt haben.“

Sasin sieht einen „sehr harten Kampf“ für Polen voraus, um die EU zu ihren Gründungsprinzipien zurückzuführen, aber er sagte auch: „Wir werden unsere Politik innerhalb der EU überdenken müssen.