Frankreich/Ungarn/V4 – Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron besuchte am Montag, den 13. Dezember Ungarn, wo er zunächst das Grab der marxistischen Philosophin Ágnes Heller besuchte und anschließend von seinem ungarischen Amtskollegen János Áder im Sándor-Palast empfangen wurde. Am frühen Nachmittag traf sich der französische Präsident dann mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Karmeliterkloster, bevor er am V4-Frankreich-Gipfel teilnahm. Schließlich führte Emmanuel Macron auch Gespräche mit den wichtigsten Führern der linken Opposition bei einem Treffen in der Residenz des französischen Botschafters.
Schelmisch begann der ungarische Ministerpräsident seine Pressekonferenz, indem er Emmanuel Macron sagte, dass Budapest im Mai für Besuche angenehmer sei – eine Anspielung auf die Tatsache, dass in Frankreich und Ungarn im April Wahlen stattfinden, die über die politische Zukunft der beiden Staatsoberhäupter entscheiden werden.
Europäische Verteidigung, Atomkraft und Landwirtschaft
Bei dieser gemeinsamen Pressekonferenz mit Emmanuel Macron betonte Viktor Orbán im Wesentlichen, was die beiden Staatsmänner trotz vieler offen zur Schau gestellter Differenzen dennoch verbindet:
„Wir lieben beide unser Land, wir arbeiten beide an der Stärkung Europas und wir sind beide an der strategischen Autonomie Europas interessiert“,
betonte er.
„Wir sind für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, wir sind für die Kernenergie und wir sind für eine starke europäische Landwirtschaft“.
In einer weiteren Presseerklärung nach dem V4-Frankreich-Gipfel erklärte der ungarische Ministerpräsident, dass der französische Präsident und die Regierungschefs der Visegrád-Gruppe die Themen Einwanderung, Rechtsstaatlichkeit, westlicher Balkan bzw. Energie – insbesondere Kernenergie – „gründlich und umfassend“ erörtert haben.
Für Viktor Orbán ist es von entscheidender Bedeutung, dass die europäischen Länder in den Bereichen Energie, Verteidigung und Landwirtschaft mehr Autonomie erlangen. All dies sind Themen, bei denen das Frankreich von Emmanuel Macron ein strategischer Partner für die V4 sein kann, da Deutschland nun von einer sozialistisch-grünen Koalition regiert wird, die der Kernenergie feindlich gegenübersteht und eine Agrarpolitik befürwortet, die unter anderem für französische oder ungarische Interessen schädlich ist. Die Nähe der deutschen Grünen zur atlantischen Linie steht auch im Widerspruch zur Neuausrichtung der europäischen Verteidigung.
Das Treffen mit Emmanuel Macron findet am Ende der Europatour des französischen Präsidenten statt, der sich darauf vorbereitet, die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen. Zufall des Zeitplans oder unterschwellige Botschaft? Tatsache ist, dass Budapest die letzte Hauptstadt war, die der französische Präsident besuchte, der dabei gleichzeit Gespräche mit der Visegrád-Gruppe führte. Eine doppelte Botschaft, die in Ungarn gut verstanden und vollkommen akzeptiert wurde: Emmanuel Macron und Viktor Orbán haben es sogar auf einer Pressekonferenz mehrmals gesagt: Sie sind politische Gegner, aber europäische Partner. Ein pragmatischer Ansatz beider Seiten, der sich auf ungarischer Seite in die Gratwanderung von Viktor Orbán einfügt, der immer auf der Suche nach neuen starken Partnern ist, um dem übergroßen Einfluss Deutschlands auf sein Land entgegenzuwirken.
Die EU-Ratspräsidentschaft, die Frankreich – trotz der für das Frühjahr angesetzten Wahlen – übernehmen wird, ist für Ungarn und Polen von besonderer Bedeutung. Die beiden mitteleuropäischen Länder ringen mit den EU-Institutionen darum, ob die EU-Gelder an die Frage der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden. Ein heikles Thema, das mangels einer gemeinsamen Definition und einer vorherigen Einigung über die Bedeutung dieser Anforderung von den Progressisten, die in Brüssel am Ruder sind, als politisches Druckmittel eingesetzt wird.
Im Anschluss an den V4-Gipfel setzte Emmanuel Macron sein Programm fort und besuchte die Residenz des französischen Botschafters, wo er sich zu einem Vieraugengespräch mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger traf und anschließend mit Vertretern der ungarischen Opposition diskutierte.
Politische Nähe zwischen Macron und der ungarischen Opposition
Während Viktor Orbán im September Éric Zemmour und Ende Oktober Marine Le Pen mit großem Pomp empfing, ließ es sich Emmanuel Macron nicht nehmen, mitten im ungarischen Wahlkampf die Führer – mit der bemerkenswerten Ausnahme des Jobbik-Führers Péter Jakab – der Linkskoalition zu treffen, die Viktor Orbán im April nächsten Jahres entthronen möchte.
Nach ihren Gesprächen mit Emmanuel Macron in der Residenz des französischen Botschafters betonten die wichtigsten Vertreter der linken Opposition (Péter Márki-Zay, MMM, Kandidat für das Ministerpräsidentenamt; Gergely Karácsony, PM, Bürgermeister von Budapest; Anna Donáth, Vorsitzende von Momentum, und Klára Dobrev, DK, MEP) die positive Atmosphäre des Treffens. Márki-Zay erklärte unter anderem, dass es unwahrscheinlich sei, dass Europa den für Ungarn vorgesehenen Aufbaufonds freigeben werde, solange die „korrupte Regierung“ an der Macht sei, während Klára Dobrev enthüllte, dass Emmanuel Macron ihnen gegenüber
„ein festes Versprechen gegeben hat, dass der Rechtsstaatsmechanismus während der französischen Präsidentschaft [der EU – Januar bis Juni 2022, AdÜ] eingeführt wird“.