Von der Redaktion.
Ungarn – Weniger als zwei Wochen vor den Europawahlen vom 26. Mai hat das der ungarischen Regierung nahestehende Institut für politische Forschung Századvég am Dienstag, den 14. Mai die Ergebnisse seiner europäischen Studie anlässlich einer Konferenz namens „Europa wählt!“ vorgestellt. Insgesamt wurden 35.000 Personen zwischen dem 7. Januar und dem 31. März 2019 auf der Basis von repräsentativen Stichproben in allen EU-Mitgliedstaaten bzw. in der Ukraine und in den Nicht-EU-Ländern auf dem Balkan befragt.
Eine energische Einleitung
Die für die Präsentation der Studie organisierte von Millward Brown im Namen des Institut Századvég geleitete Konferenz wurde durch eine starke Rede des ungarischen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Volkspartei (Kereszténydemokrata Néppárt, KDNP), Zsolt Semjén, eröffnet. Für die Nummer zwei der ungarischen Regierung „ist die heute von Brüssel geführte Politik nicht korrekt bzw. illegal und antidemokratisch.“ Daran erinnernd, dass „die Migrationsfrage die wichtigste [ist, denn] es handelt sich dabei zu bestimmen, ob man unsere Nation vermischt und für immer verändert oder nicht,“ erklärte Zsolt Semjén, dass Frankreich z.B. eine Mischnation geworden sei doch das nicht für Mitteleuropa zutreffe, das weiterhin die Wahl habe, es zu werden oder nicht. Er adressierte ebenfalls eine starke Botschaft, indem er sich an die anwesenden teilweise aus dem Westen kommenden Botschafter zuwandte: „Meine Heimat hat die islamische Invasion erlebt und wurde 150 Jahre lang zerrissen und besetzt.Daraus resultierte der Tod der Hälfte der Bevölkerung. Daher gebe man uns keine Lektion was Zusammenleben anbelangt“. Der stellvertretende Ministerpräsident erklärte ebenfalls, dass, wenn der Islam in Europa fortschreite, so sei es, weil er einen leeren Raum fülle. „Wer die christliche Zivilisation leugnet, leugnet auch das Prinzip Europa,“ so Semjén, der in der Folge auf die für diesen Angriff auf die christliche Identität Europas und dessen Nationen verantwortlichen „freimaurerischen, kommunistischen und liberalen Ideen“ hinwies, die „die christliche Zivilisation unaufhörlich angreifen“.
Was geht aus der Project28-Studie hervor?
Die Studie bezog sich auf fünf Achsen: das Gefühl des Wohlstands, die Positionierung der EU gegenüber, das Empfinden für soziale, innenpolitische bzw. außenpolitische Fragen, die Haltung den Kultur- und Gesellschaftsfragen gegenüber wie die christliche Identität, die Gendertheorie bzw. die Erweiterung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Was vor allem aus dieser Studie herauskommt und vom der ungarischen Regierung nahestehenden Institut in den Vordergrund gestellt wird, ist die Frakturlinie zwischen West- und Mitteleuropa bzw. insbesondere der V4. Und tatsächlich stellt die Präsentation der Ergebnisse in hohem Maße vier besondere Gruppen in den Vordergrund: die Gründungsstaaten, die 28 EU-Mitgliedstaaten insgesamt, die V4 und die ehemaligen sozialistischen Länder (einschließlich der V4). Diese Unterscheidung ist sehr lehrreich und offenbart das Vorhandensein mehrerer Europas.
Paradoxerweise sind die Länder auf dem Westbalkan bzw. die ehemaligen kommunistischen Länder insgesamt – darunter die V4 – viel konservativer, was die Gesellschaftsfragen betrifft, aber auch weniger skeptisch über die Zukunft Europas, und wenn sie kritischer gegenüber Brüssel sind, so möchten sie auch massiv in der EU bleiben, was ferner dem Argument der V4 Nahrung gibt, demgemäß sie die einzige konstruktive Alternative für die EU darstelle, die darin besteht, Brüssel für das Wohl des Projekts Europa zu „bekämpfen“; im Gegensatz zu vielen westlichen Euroskeptikern, die eher eine Auflösung der EU oder zumindest den Austritt ihres Landes befürworten.
Selbstverständlich sind sich die Europäer allerdings über manche Fragen einig: sie kritisieren einstimmig das Management der Migrantenkrise durch die europäischen Behörden bzw. betrachten sie es als notwendig, die EU-Außengrenzen zu schützen – zwei Maßnahmen, die in der Hand der Regierung Viktor Orbáns ein Vorteil darstellen können. Das Institut Századvég zeichnet also, für das vierte Jahr in Folge, ein sehr nützliches und gut dokumentiertes Phantombild der Europäer, das nunmehr ermöglicht, eine Entwicklung von Jahr zu Jahr zu beobachten.
Wir haben einige der aussagekräftigsten Grafiken ausgewählt und stellen diese nun vor.
Um die gesamte Studie (auf Englisch bzw. Ungarisch) nachzulesen, können Sie hier klicken!
Zukunftsvision
Christentum in der Gesellschaft
Sollte Europa Ihrer Meinung nach ihre christliche Kultur und Traditionen bewahren (orange) oder sollte es sich eher für eine säkularere/laizistischere Kultur (rot) entscheiden, die über die christlichen Traditionen hinauswachse? Keine Antwort / weiss nicht (blau).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Europäische Union: Vertretung, Einwanderung
Inwiefern sind Sie mit der folgenden Behauptung einverstanden: „Meine Interessen und Meinungen werden in Brüssel vertreten“?
Keine Antwort / weiss nicht (blau), ganz einverstanden (orange), eher einverstanden (gelb), eher nicht einverstanden (rosa), gar nicht einverstanden (rot).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Denken Sie, dass die Grenzen des Schengenraums bewahrt und geschützt werden sollten? Ja (orange), nein (rot), keine Antwort / weiss nicht (blau).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Sind Sie mit der folgenden Behauptung einverstanden: „Die EU sollte ihre Außengrenzen effizienter schützen”?
Keine Antwort / weiss nicht (blau), nicht einverstanden (rot), einverstanden (orange).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Beurteilen Sie die Arbeit der EU bezüglich des Managements der Migrantenkrise.
Ausgezeichnet (orange), gut (gelb), schlecht (rot), keine Antwort / weiss nicht (blau). Ergebnisse nach Ländern.
Beurteilen Sie die Arbeit der EU bezüglich des Managements der Migrantenkrise.
Ausgezeichnet (orange), gut (gelb), schlecht (rot), keine Antwort / weiss nicht (blau).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Wer hat Ihrer Meinung nach die Migrantenkrise besser gemanagt?
Brüssel (rot), die ost- und mitteleuropäischen Länder (orange).
Zweite Grafik, von oben nach unten: Westbalkan, ehem. kommunistische Länder, V4, EU-28, Gründungsstaaten der EU und diejenigen, die im 20. Jh beigetreten sind.
Wie würden Sie bei einem Referendum über den Verbleib Ihres Landes in der EU abstimmen? Für den Verbleib in der EU (orange), für den Austritt (rot), keine Antwort / weiss nicht (blau).
Alle Grafiken stammen aus der Seite von Project28. Um die gesamte Studie (auf Englisch bzw. Ungarisch) nachzulesen, können Sie hier klicken!