Von Raoul Weiss.
Rumänien – Für diejenigen, die man allgemein als „Migranten“ (sprich „Flüchtlinge“ und Kunden des neuen Sorosʼschen humanitären Sklavenhandels) darstellt, ist Mittel- und Osteuropa – wie man weiß – (trotz der dort diesbezüglich gehegten Furcht) nicht sehr attraktiv: der Wohlfahrtsstaat wurde dort in den 1990er verwüstet, die Gehälter sind niedrig und – sagen wir es – die Xenophilie eines Großteils der Bevölkerung hält sich durchaus in Grenzen.
Hingegen gibt es (u.a. aus Süd- und Südostasien kommende) wirtschaftlich als solche akzeptierte etwas bescheidenere Einwanderer, die sich für diese Länder interessieren können. Für einen katholischen Filipino ist es bei gleichem Gehalt durchaus attraktiver als Facharbeiter in der Slowakei (wo es nicht üblich ist, die Arbeiter zu schlagen) als z.B. in Kuwait zu arbeiten.
Es ist also dieser Menschenvorrat, auf den die Kapitalisten aus dem post-kommunistischen, durch die weiße Auswanderung und die malthusianische Einstellung der Bevölkerung demographisch verwüsteten Europa entschieden haben, zurückzugreifen. Und ganz natürlich finden sie in den – u.a. atlantistischen und liberalen Netzwerken – objektive Verbündete, die aus unterschiedlichen Gründen entschieden haben, dass Europa zu einem ethnischen und kulturellen Schmelztiegel werden muss.
Dadurch erklärt man sich besser, dass es aus allen Ländern dieser Region (trotz wesentlicher Größenunterschiede) Polen und Rumänien (zwei regionale Hochburgen der US-Netzwerke) sind, die diesbezüglich am eifrigsten sind. Während die ungarische Regierung es versucht, die Ungarn zu überreden, in der Heimat zu bleiben und die Auswanderung durch regionalen ethnisch kompatiblen Ersatz kompensiert (Mitglieder der ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern bzw. einige ihrer slawischen Nachbarn, deren Vorfahren einst Untertane des Königreichs Ungarn waren), sind Polen und Rumänien nicht sehr aktiv, um ihre Stammbevölkerung davon abzubringen, auszuwandern, und importieren hingegen skrupellos außereuropäische Arbeitskräfte. Höchstens achtet man in Polen darauf, Muslime auszuschließen, um den Diskurs der politischen Eliten des Landes nicht allzu offenkundig zu widerlegen.
In Rumänien ruft dieses Programm allerdings Zähneknirschen hervor. Sämtliche Volksgruppen zusammengenommen ist die Bevölkerung dieses Landes – die stabilste in der Region im Hinblick auf innere Migration – daran gewöhnt, ihre Nachbarn zu kennen und nimmt für sich das – schließlich nicht allzu schockierende – Recht in Anspruch, diese auswählen zu dürfen.
Das spontane Erscheinen eines Herds des Widerstands gegen Menschenimport inmitten des Szeklerlandes (eine zu 80% ungarischsprachige Gegend) lieferte also dem rumänischen tiefen Staat und vor allem all seinen securitatischen Hilfskräften aus Presse und „Zivilgesellschaft“ einen idealen Anlass, um das migrantische Narrativ zu reorientieren bzw. umzuleiten.
Anfangs war die Lage allerdings einfach: als Mitglied einer einheimischen kapitalistischen Klasse, die durchaus verdächtigt wird, die Steigerung der Gehälter durch kartellartige Geheimvereinbarungen (was seit Jahren in allen Ländern dieser Region gang und gäbe ist) zu verhindern, ließ der Eigentümer (ein Szekler) einer Bäckerei aus dem Dorf Ditró (rum. Ditrău) im katholischen Norden des Szeklerlandes zwei (übrigens ebenfalls katholischen) Bäcker aus Sri Lanka kommen. Für das einheimische Proletariat war somit die Botschaft eindeutig: „Ihr könnt weiterhin nach Ungarn oder nach Deutschland auswandern, soviel Ihr wollt, wir brauchen Euch nicht. Dank der Freihandelspolitik des liberal-atlantistischen rumänischen Staats und der von der EU geförderten heiligen Freizügigkeit der Menschen, ersetzen wir Euch durch Gelbe [pardon für das grenzwertige Wortspiel] aus Asien.“ Die – übrigens dabei von ihrem katholischen Priester unterstützten – Dorfbewohner wollen davon nichts hören, protestieren und erreichen die Abreise der beiden Eingewanderten. Seitdem haben die rumänischen Behörden Ermittlungen wegen „Diskriminierung“ eingeleitet. Freilich gibt es kein Verfahren wegen Lohndumping gegen den Arbeitgeber, da das Wenige an Arbeitsrecht, das in Rumänien nach Jahrzehnten der neoliberalen Plünderung noch übrigbleibt, praktisch niemals zur Anwendung kommt.
Und nun haben wir eine (rumänisch- und ungarischsprachige) im Zelebrieren der aus der Propaganda der Kleinen Entente geerbten rumänischen Toleranz einstimmige securitatische Presse. Vergessen die nicht allzu alten Pogrome gegen die Szekler im Úztal, die in das gleiche schwarze Loch verbannt wurden wie die bedauerlichen Umtriebe des Marschalls Antonescu in Odessa und in Transnistrien. Einstimmig ist auch das Anprangern der „populistischen Gefahr“, die durch Fidesz-nahe Fernsehsender, die die Szekler Pensionisten schauen, aus dem rassistischen und illiberalen Ungarn durchsickern würde. Einmal mehr nimmt die linke Intelligentia der ungarischen Minderheit Siebenbürgens an einer der schlimmsten ungarnfeindlichen Kampagne der neulichen Geschichte des Landes teil, und macht problemlos gemeinsame Sache mit manchen rumänischen „Meinungsführern“, deren ungarnfeindlicher Chauvinismus durchaus sprichwörtlich ist.
So braucht der Historiker und Präsident der Rumänischen Akademie Ion Aurel Pop heute nicht mehr, den Illiberalismus nachzuäffen, wie er es bis vor einigen Monaten gewöhnlich tat. Jetzt, wo der rumänische Populismus der Ära Dragnea-Tăriceanu endgültig begraben wurde, kann er zu den bedeutendsten – sprich globalistisch-liberalen – Themen seiner Partitur zurückkehren. Seien wir nun unter den rumänischen Nationalisten in Gedanken bei den Naiven, die auf den Leim gegangen waren, und lassen wir sie nun in aller Ruhe die Worte ihres Idols auskosten: „Ich weiß, dass die Behörden des heutigen ungarischen Staats eine restriktive und diskriminierende Politik Ausländern gegenüber führen, dass sie Mauern und Zäune an ihren Grenzen haben errichten lassen und dass die Bewohner des Szeklerlandes nur die Fernsehsender aus Budapest schauen. Doch hat der rumänische Staat eine ganz andere Politik und eine ganz andere Herangehensweise zu diesem Problem. Die betroffene Gemeinde [Ditró] befindet sich nunmal auf rumänischem Gebiet und muss sich der Gesetzgebung, der Moral und der Politik des rumänischen Staates unterordnen.“
Insofern den Traditionen der westlichen europafeindlichen Illuminaten und des rumänischen Nationalismus treu mag der griechisch-katholische Ion Aurel Pop alle „Ausländer“ – außer die Ungarn bzw. Szekler, die seit mindestens tausend Jahren in der Nachbarschaft seines eigenen Volkes leben.
Die Unterscheidung, die er zwischen dem „heutigen ungarischen Staat“ (sprich dem Regime Viktor Orbáns, den seine westlichen Auftraggeber 2022 stürzen wollen) und dem rumänischen Staat (hier dagegen ohne Angabe eines Datums oder einer bestimmten Wahl – und zwar aus guten Gründen) macht, könnte nicht klarer sein: Seitdem das Zwischenspiel mit Dragnea abgeschlossen wurde, neutralisiert der vor hundert Jahren vom Westen gegründete und weiterhin in dessen Diensten stehende „rumänische Staat“ (sprich der tiefe Staat) jede Alternative zur Macht. Die Dorfbewohner von Ditró hätten also durchaus Interesse daran, das oberflächliche Mehrparteiensystem nicht allzu ernst zu nehmen, dessen Erscheinungsbild von Bukarest mühsam aufrechterhalten wird. In Wirklichkeit gibt es wohl eine „Politik des rumänischen Staats“, dergemäß sie (die Szekler) und nicht die sri-lankischen Migranten die Fremden sind.
Nach dieser Textanalyse und anstatt die Äußerungen des Präsidenten der Rumänischen Akademie selbst zu kommentieren, möchte ich lieber das Wort dem rumänischen souveränistischen Schriftsteller Alexandru Petria überlassen, der dies auf Facebook übernommen hat:
„Es geht um die Ditró-Affäre – einen eindeutigen Fall der wirtschaftlichen Erpressung. Die Eigentümer der Bäckerei haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der eigentlichen Frage – bezüglich der Kraftprobe um die Löhne – ablenken wollen: ,Wenn Ihr die Löhne nicht hinnehmt, die Euch angeboten werden, dann lassen wir Arbeiter aus dem Ausland kommenʼ. Dieser Taugenichts von der Akademie sollte sich dafür schämen, die Zwietracht unter den Volksgruppen des Landes zu schüren. Vollen Respekt für die Einwohner des Kreises Hargita! [eines der beiden Kreise im Szeklerland, auf dessen Gebiet sich das Dorf Ditró befindet]“
Man kann der Analyse dieses Schriftstellers nur zustimmen, die ein offenes Geheimnis verrät und Ion Aurel Pop einen „konsequenten Securitatisten“ nennt.
Wie um die Äußerungen Ion Aurel Pops bezüglich einer „Moral des rumänischen Staats“, die über Zeiten und Parteien hinausgeht (sprich auf gut Deutsch: die die Demokratie neutralisiert), zu bestätigen, erwähnen wir auch am anderen Ende des „rumänischen politischen Spektrums“ die Reaktion der jungen Partei Demos auf den „Fall Ditró“. Vorgestellt als die „Wiedergeburt der rumänischen Linken“ ist sie offensichtlich dazu bestimmt – so wie die wirklichen Herren Rumäniens es sich vorstellen –, den linken Flügel der Wählerschaft der „populistischen“ PSD Liviu Dragneas zu beerben, die sich kurz vor dem Auflösen befindet. Während sie anerkennt (im Unterschied zum fremdenfeindlichen Rektor), dass der Lohnkonflikt den Kern des Problems darstellt, prangert Demos immerhin einen „fremdenfeindlichen Zwischenfall am Arbeitsplatz“ an und beendet ihr Kommuniqué mit einem Satz, der wie folgt beginnt: „Die ausländischen Arbeiter sind in Rumänien willkommen“. Ite misa est.
Als gute Trotskisten wiederholen die Demos-Linken unter securitatischer Patenschaft die Haltung ihrer Vorfahren der antistalinistischen Emigration, die inmitten der Operation Barbarossa von London bzw. New York aus den sowjetischen Massen irgendwie folgenden Diskurs hielten: „Wir sind gegen den Hitlerismus, aber trotzdem müsst Ihr es ablehnen, auf die Soldaten der Wehrmacht zu schießen, die Eure proletarischen Brüder sind.“ Die Leute aus der damaligen UdSSR haben, wie man weiß, diese guten Ratschläge der Clique von Genosse Bronstein nicht allzu sehr beachtet. Dies erklärt teilweise, dass es weiterhin einen russischen Staat gibt. Es liegt heute an ihren rumänischen Glaubensbrüdern, sich zwischen der „Xenophobie“ sowjetischer bzw. ungarischer Prägung und dem „ukrainischen Weg“ der Pop-Demos-Achse zu entscheiden. Hic Rhodus, hic salta!
Was diese famose PSD anbelangt, deren Nachfolge alle schon organisieren, so arbeitet sie selbst effizient an der Organisation ihres eigenen Begräbnisses mit und vernachlässigt – da die Schlacht um das Vertrauensvotum im Parlament wütet – diese Gelegenheit, ins Rennen zurückzukehren, indem sie einen illiberalen Standpunkt verteidigen und die einst mit ihr verbündete Demokratische Union der Ungarn (RMDSZ) unterstützen würde. Und das ist wieder ein Zeichen, das die von mir mehrmals (u.a. hier) aufgestellte Hypothese zu bestätigen scheint, dass die schon vor dem Frühjahr 2019 stark unterwanderte PSD seit dem Sturz Liviu Dragneas von Saboteuren geleitet wird, die vom tiefen Staat – aus dem sie stammen – den Auftrag erhalten haben, ihre Umwandlung in eine regionale Partei der ländlichen bzw. alternden Peripherien des Süden des Landes zu vollziehen, die keinen Anspruch mehr auf eine Rolle auf nationaler Ebene habe soll.
Nebenbei weist dieser geschickt aufgebauschte Zwischenfall auch auf die eigentlichen Schwächen des ungarischen Illiberalismus hin, dessen interne Schizophrenie hier mit der grenzüberschreitenden Eigenschaft seiner Wählerschaft kollidiert. In Ungarn selbst war Viktor Orbán unter dem Deckmantel einer rechtsgerichteten Rhetorik vorsichtig genug, um seit 2010 die ambitionierteste Sozialpolitik der Region zu führen (Verstaatlichungen, Kontrolle der Energiepreise, Familienpolitik, Erhöhung der Mindestlöhne, usw.). Doch endet die Effizienz dieser Maßnahmen selbstverständlich meistens an den Grenzen des ungarischen Staats. Bei den Wahlen beinahe vollkommen Fidesz-treu muss die auf rumänischem Staatsgebiet lebende ungarische Minderheit im von Klaus Johannis verwalteten Dschungel leben – den die Fidesz-nahen Medien und ihre Siebenbürger Freunde wegen ihrer rechtslastigen Tropismus nicht als solchen anprangern, während sie die ungarische Ablehnung einer weltweiten Globalisierung des Arbeitsmarkts teilt, eine Ablehnung die in den Fidesz-nahen Medien – allerdings in ziemlich konfusen Formulierungen auf halbem Wege zwischen Patriotismus und Fremdenfeindlichkeit – zu Wort kommen darf. Dies bietet freilich einen idealen Angriffswinkel den Koryphäen des rumänischen tiefen Staats, die damit beauftragt sind, Budapest als das „Herd einer rassistischen Infektion [darzustellen], die auf Siebenbürgen strahlt“.
Die einheimische mit dem Fidesz verbündete Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (Romániai Magyar Demokrata Szövetség, RMDSZ) von Hunor Kelemen hält diesem Sturm umso weniger stand, als sie – zum x-ten Mal – von ihrem ehemaligen Vorsitzenden Béla Markó erdolcht wird. Letzterer, der die Parteiführung an Kelemen hat überlassen müssen, da er sich zur Allianz mit dem Fidesz nicht bekennen wollte, beeilte sich, sich dem Chor derjenigen anzuschließen, die „den Rassismus anprangern“. Und zwar gerade in der Zeit, wo die rumänischsprachige USR hart daran arbeitet, den linken Flügel der RMDSZ an sich zu raffen, während deren rechter Flügel vor einem solchen Spektakel sich wohl durch das Angebot der nationalistischen Szeklerparteien versuchen lassen könnte, die nunmehr in einer gemeinsamen Struktur vereint sind. Diese Entwicklung entspricht wunderbar den Interessen des rumänischen tiefen Staats: Assimilation durch die große westliche Kommunion der Ungarn in den nicht-szeklerischen Kreisen, wo sie in der Minderheit sind, und Verwandlung des Szeklerlandes in eine ethnische Hochburg, die die Marionettenspieler aus Budapest bei Bedarf würden in Brand stecken können, wenn das politische Agenda ihrer westlichen Herren dies verlangt.