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Macrons ungeschickte Offensive über Mitteleuropa

Lesezeit: 4 Minuten

Europäische Union – Der französische Staatspräsident reiste am 26. und 27. Oktober 2018 in die Slowakei und nach Tschechien. Einmal mehr versuchte der französische Präsident Mitteleuropa zu spalten. Im Zusammenhang mit dem Wahlkampf für die Europawahlen zögerte Emmanuel Macron übrigens nicht davor, die polnischen und ungarischen Regierenden zu beschimpfen.

Der französische Staatspräsident ist erneut nach Mitteleuropa gekommen. Nach dem Fiasko des Vorjahres, wo er anlässlich eines Treffens mit den Vertretern des Austerlitz-Formats versucht hatte, Allianzen mit drei Regierungschefs in der Region zu schmieden, die alle seitdem ersetzt wurden – die Wahlen in Österreich und Tschechien haben die linksliberalen Parteien aus dem Amt getrieben, während der slowakische Linkspopulist Fico zurückgetreten ist, um die demokratische Regierungskoalition gegenüber dem Druck von organisierten Netzwerken zu bewahren –, was als Macrons Niederlage von Austerlitz bezeichnet werden kann, war er nun gewillt, seine Taktik zu ändern. Doch ist das Ziel weiterhin das gleiche, nämlich die V4 (Visegrád-Gruppe: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) in eine V2+2 zu verwandeln.

Doch ist die V4 kein Block, der brechen kann: sie ist eine Interessensallianz. Somit, wenn die Slowakei als Mitglied der Eurozone de facto im den französischen und deutschen Regierenden so beliebten europäischen Kern integrierter ist, als die anderen mitteleuropäischen Länder, so bleibt es doch, dass die Slowakei bezüglich der Themen Migration, Lebensmittel, Budget oder „Staatsrecht“ ein mitteleuropäisches Land wie die anderen ist und bleibt.

Das Gleiche gilt für Tschechien, wo Andrej Babiš, ein überraschender Geschäftsmann und Ministerpräsident des westlichsten der Länder des ehemaligen Ostblocks, die Europaabgeordneten seiner Partei desavouierte, die zugunsten der Sanktionen gegen Orbáns Ungarn gestimmt hatten.

Die Visegrád-Gruppe ist ein Bündnis, eine freiwillige Zusammenarbeit aufgrund gemeinsamer Interessen. Wenn die Interessen über eine Frage auseinandergehen, dann bewältigt jedes Land die Angelegenheit, wie es das will. Doch wenn die Interessen übereinstimmen, dann kann die V4 mit einer Stimme reden und ihr ganzes Gewicht einsetzen – gleiche Bevölkerungsstärke wie Frankreich bzw. zwei Drittel von dessen BIP. Keines der vier mitteleuropäischen Länder würde ein Interesse daran haben, dieses Bündnis zu zerstören, das eine echte Gewerkschaft gegenüber der deutschen Wirtschaft, eine starke Phalanx in Brüssel bzw. eine mächtige Lobby für ihre Außenpolitik u.a. derzeit auf dem Balkan darstellt, wo sie gemeinsam vorhaben, den kommenden Krieg abzuwenden und die amerikanischen, russischen, deutschen bzw. türkischen Einflüsse zu kontern.

Die Visegrád-Gruppe ist eine flexible Struktur, die keine supranationale Organisation hat, die die legitimen Verwahrer der Macht kurzschließen würde, die die Vertreter des Volkes sind. Es ist auch ein Versuch eines anderen Europas auf kleiner Ebene, wie die ost- und mitteleuropäischen Länder es sich wünschen würden, als Opposition zur zentralisierten Union von Brüssel mit ihren abgehobenen Institutionen und ihren nicht gewählten Anführern, die unfähig sind, Antworten zu den Herausforderungen des Kontinents zu finden bzw. die europäischen Interessen gegenüber den anderen Großmächten geltend zu machen.

Kurz vor den Europawahlen vom Mai 2019, die freilich die wichtigsten sind, seitdem es ein Europaparlament gibt, führt Macron seinen Wahlkampf, stellt sich als Anführer der „Antipopulisten“ und der Fortschrittlichen dar, und versucht glauben zu lassen, dass das Visegrád-Modell „antieuropäisch“ sei. Er verkauft sich als der Anhänger einer strengen Einwanderungspolitik, doch „gleichzeitig“ – anscheinend seine Lieblingsredewendung! – erklärt der französische Präsident gegenüber der liberalen Presse Mitteleuropas, dass „ein Europa, das die Vielfalt der Ideen und der Glauben, die Unabhängigkeit von Justiz und Presse, das Willkommenheißen von Flüchtlingen, die vor politischen Verfolgungen fliehen, in den Wind schlägt, ein Verrat an uns selbst sei,“ und führt aus, wie wichtig es sei, Einwanderung überall anzunehmen, indem er en passant Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten vermischt.

In einem an vier liberale Medien Mitteleuropas gewährten Interview erklärt Emmanuel Macron, dass er gute Beziehungen mit Viktor Orbán habe, ihn respektiere und sogar schätze. Wie soll man also dessen Aussage verstehen, wenn er in der Slowakei auf dem Gipfel von GlobSec (Global Security) fragt: „Was machen diese geistig verrückten Regierenden, die ihr Volk belügen?“, indem er eindeutig Polen und Ungarn meint, bevor er erneut glauben lassen will, dass Polen und Ungarn „antieuropäisch“ seien? Irgendwie komisch von jemandem, der die europäische Bevölkerung und die europäische Kultur austauschen will…

Während seines Aufenthalts ließ er es nicht aus, überall zu wiederholen, es gäbe keine Spaltung zwischen Ost und West. Trotzdem stellen die mit der Slowakei und Tschechien geführten Verhandlungen selbstverständlich ein Spaltungsversuch Mitteleuropas dar, denn man kann durchaus vermuten, dass es um ein Deal „Migranten gegen entsandte Arbeitnehmer“ ging, sprich Macron habe Prag und Pressburg seine Unterstützung gegen die Umverteilung von Migranten im Gegenzug von Arrangements in der Frage der entsandten Arbeitnehmer angeboten.

Seine Unterstützung für den prowestlichen rumänischen Präsidenten Klaus Johannis, der die von seiner Regierung geführte Annäherungspolitik mit der V4 ablehnt, geht in die gleiche Richtung dieser Macronʼschen Politik, die die ost- und mitteleuropäischen Länder spalten will.

Doch muss man feststellen, dass diese Schläge ins Leere gehen. Der Mangel an Substanz des jungen Bankier-Präsidenten und die Horrorvorstellung, die das Macronʼsche Projekt für eine breite Mehrheit von Mitteleuropäern darstellt, machen die Versuche des Pariser Regimes unwirksam, die freie Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Länder zu brechen.

Der slowakische Ministerpräsident Pellegrini (links) und sein tschechischer Amtskollege Babiš (rechts) in Prag nach der Abreise des französischen Präsidenten. Bild: Facebookseite von Peter Pellegrini.