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Lesezeit: 6 Minuten

Von Raoul Weiss.

Rumänien – Ein Bild (siehe unten) wird derzeit im rumänischsprachigen Internet verbreitet (wie z.B. hier unter der scharfen Feder des sehr gut informierten Blogers Bogdan Tiberiu Iacob). Man sieht Präsident Klaus Johannis auf einer Tribüne anlässlich der Feierlichkeiten des hundertsten Jahrestags des Anschlusses Siebenbürgens, umgeben von „seinen Mannen“: einige Führungskräfte seiner Partei (der PNL), aber vor allem viele, ganz viele Mitglieder (meist Generäle, die man an ihren Mützen mit einem gelben Band leicht erkennt) des Rumänischen Informationsdiensts (SRI) – der Gipfel für einen sog. „Geheimdienst“ anlässlich der Gedenkfeier für einen militärischen Sieg. Der SRI ist bei weitem der auf dem Bild am meisten vertretene Armeezweig. Im Laufe dieses besonderen Jahres des hundertsten Jahrestags hat Johannis übrigens Dutzende neuer Generäle dem schon plethorischen Bestand des rumänischen Generalstabs hinzuernannt – davon gleich sechs SRI-Generäle auf einmal. Die Sonderpensionen, die besagte Generäle erhalten und in diesem ärmsten EU-Staat absolut unanständig sind, sorgen übrigens für Gerede und erinnern zum Verwechseln an den Statut der Apparatschiks in den sowjetähnlichen Regimen.

Als ich im diesem Portal nach meiner Ausweisung aus Rumänien gewährten Interview von der Rückwandlung dieses Landes in einen „Polizeistaat nach südamerikanischem Vorbild“ gesprochen hatte, haben manche Leser glauben können, dass ich übertrieb und einen persönlichen Groll gegen manche unredliche Beamten zum Ausdruck brachte, die für die Situation verantwortlich waren, in der ich mich derzeit befinde. Allerdings bestätigten meine Aussagen einerseits bloß andere Feststellungen, die älter als meine Ausweisung waren (und diese u.U. haben hervorrufen können); andererseits beweist dieses Lichtbild, dass diese Feststellung keineswegs übertrieben sei. Die rumänischen „Geheimdienste“ haben nicht nur mehr Personal bzw. sind sind nicht nur die teuersten in Europa (wenn man ihrem offiziellen Haushalt Glauben schenkt – der heuer übrigens erhöht wurde!), sondern sind sie auch die am wenigsten geheimen. Verraten wir also ein offenes Geheimnis: in dieser industriellen Wüste, die Rumänien derzeit ist, gibt es nichts auszuspionieren. Die einzigen ernsthaften militärischen Ziele sind US-amerikanische Basen, die unmittelbar von Amerikanern verwaltet werden, die die rumänischen Dienste nicht kontrollieren und zu denen sie selber wahrscheinlich bloß einen eingeschränkten Zugang haben. Die – aufgeblähten und überteuren – Strukturen, die man aus Gewohnheit Geheimdienste nennt, sind also in Wirklichkeit eine politische Polizei, deren Vorgehensweise immer mehr vom postmodernen Softpower (der diskreten Manipulation) zur Einschüchterung „alter Prägung“ hinübergleitet. Die Sichtbarkeit des SRI auf diesem „Familienfoto“ ist also ganz sicher gewollt und sendet somit eine klare Botschaft an die Politiker und an die Bevölkerung dieses Staates der Dritten Welt, der merkwürdigerweise in der EU integriert ist: „Egal welche Veränderungen Rumänien durchmachen muss, um sich dem neuen geostrategischen Kontext anzupassen: ohne uns werden sie nicht geschehen!“

Die engen Beziehungen zwischen Klaus Johannis und dem SRI wurden mir kurze Zeit nach seiner Wahl von einem PNL-nahen rumänischen Politiker anlässlich eines Spaziergangs in einem Park verraten (dessen Identität ich nicht preisgeben kann, ohne dessen Sicherheit zu gefährden). Wenn man weiß, dass unter Ceaușescu die deutsche Minderheit – der Johannis angehört – innerhalb eines Jahrzehnts von 600.000 auf 60.000 geschrumpft war, kann man sowieso leicht erraten, dass dieser Physikprofessor, der unter dem Kommunismus (trotz der Beziehungen seiner Familie mit NS-nahen Organisationen vor 1945) nicht nur im Lande geblieben war sondern Zugang zur Universität gehabt hatte, musste also vor 1989 „keine allzu schlechten“ Beziehungen mit dem Regime gehabt haben. Damals hatte mich dieses Geständnis überrascht, so sehr glänzte noch der Lack von „europäischer und multikultureller Modernität“ des „Wunderbürgermeisters von Hermannstadt“ (Sibiu). Die siebenbürgischen Ungarn (denen ich im Privaten nahestehe) waren übrigens mehrheitlich dieser Illusion erlegen und stimmten für einen Präsidenten, der sehr rasch die staatliche Ungarnfeindlichkeit zu seit dem Anfang des „demokratischen Wandels“ ungekannten Höhen brachte. Was die rumänischen Liberalen – und insbesondere die aufrichtigen Anhänger der #Rezist-Bewegung – anbelangt, so haben sie die Fata Morgana Johannis noch nicht wahrgenommen und brüsten sich damit, einen Lehnsmann der direkten Erben der Securitate de Stat von Nicolae Ceaușescu an der Spitze ihrer „antikommunistischen“ Demonstrationen zu sehen! Wird dieses Bild es schaffen, ihnen die Augen zu öffnen? Sogar das ist nicht sicher, denn bekannterweise ist keiner so blind, als derjenige, der nicht sehen will.

Fügen wir hinzu, daß diese „Dienste“ (die nur sich selbst dienen) in ihrer Kontrolle des „taktischen Felds“ der rumänischen Politik zwar buchstäblich im Besitz des „rumänischen Rechtsliberalismus“ sind, doch haben sie auch nicht versäumt, in den Linksliberalismus zu investieren: auf einem (weniger kommentierten) Bild des gleichen Ereignisses erblickt man unweit von Johannis das einzige prominente PSD-Mitglied, das anscheinend auf dieser höchst euro-atlantistischen Tribüne toleriert wurde: die EU-Kommissarin Corina Crețu, eine intime Bekannte von George Soros, die eine Verbindung zwischen dem „linken Flügel“ der PSD und dem „linken Flügel“ der #Rezist-Bewegung aufrechterhält. Diese scheinbar unpassende Anwesenheit hilft uns dabei, uns vorzustellen, wie Rumänien aussehen würde, wenn der ehemalige Ministerpräsident (und unglückliche Gegenkandidat Johannisʼ bei den letzten Präsidentschaftswahlen) Victor Ponta an die Macht zurückkäme, dessen im Aufbau befindliche Bewegung Pro România eine „nicht korrumpierte und pro-europäische PSD“ sein möchte – geschweige denn Corina Crețu selber, von der manche flüstern, dass sie die Kandidatin von Pro România bei den kommenden Präsidentschaftswahlen sein könne: andere Maske, gleiches System.

Der SRI würde dann in der Tat den „nationalen“ Kuchen“ mit seinem Konkurrenten, dem Externen Informationsdiensts (SIE) teilen müssen, dem Victor Ponta bekanntermaßen nahesteht. In diesem Szenario nach ukrainischem Vorbild ist es klar, dass der SRI vor allem die chauvinistischen Nationalisten (mit ihrer kaum versteckten Nostalgie für die einstige Eiserne Garde) „coache“, die rund um Johannis wimmeln, während der SIE die Hand des Macronʼschen LGBT-Flügels des rumänischen Globalismus halte: die ganze Kunst des Castings.

In dieser Perspektive ist die Tatsache, dass Corina Crețu der Sozialdemokratischen Partei Liviu Dragneas noch angehöre, ein ziemlich schlechtes Zeichen für Letzteren oder zumindest für die patriotische Wählerschaft der PSD, da dies wahrscheinlich verrät, dass der Schattenstaat (vielleicht zu Recht) glaube, die regierende Koalition „disziplinieren“ zu können, um sich dadurch einen chaotischen Wechsel (die Opposition ist äußerst zersplittert) oder eine „chilenische Lösung“ zu ersparen (zu der man allerdings wetten könne, dass Johannis und seine Mannen mit den gelben Mützen – und umgekehrt: die wahren Herren Rumäniens und ihr sächsischer Kofferträger – schon bereit seien).

Der Schattenstaat ist auf jeden Fall zumindest in der Lage, die regierende Koalition zu schwächen: die Abtrünnigkeit vierer PSD-Parlamentarier (die zur Bewegung Pro România überliefen) hat ihr gerade die absolute Mehrheit verlieren lassen, über die sie bisher im Parlament verfügte. Liviu Dragnea wird also die Stimmen der Partei der ungarischen Minderheit (RMDSZ) bitter nötig haben, die seit Monaten die Koalition schon außerhalb der Regierung auf der Basis einer konstruktiven Kritik unterstützte. Um es jedoch anzunehmen, sich mehr in der Regierung zu involvieren, wird die RMDSZ – um ihre Basis zu zähmen, die die ungarische pro-westliche Presse Siebenbürgens schon sehr aktiv zu beeinflussen versucht – ihrer Wählerschaft beweisen müssen, dass diese „schändliche“ Kollaboration mit den „Post-Kommunisten“ Liviu Dragneas sich rechtfertige, sprich die RMDSZ wird konkrete „Gewinne“ für die Volksgruppe müssen vorzeigen können, die den Preis für besagte Zusammenarbeit sein werden.

Die Liste dieser Forderungen ist übrigens soeben veröffentlicht worden und, paradoxerweise, sind es eben die Ereignisse von 1918 – die derzeit von allen Chauvinisten Rumäniens gefeiert werden –, die diese lieferten: nach beinahe 30 Jahren der Unentschlossenheit fordert die RMDSZ endlich für die ungarische Minderheit die Autonomie, die den Magyaren in der „Resolution von Alba Iulia“ als Ausgleich für die Überstellung unter einen nicht-ungarischen Staat versprochen wurde – eine rumänische Versprechung, die seitdem bloße Makulatur geblieben ist. Die Erfüllung dieser Forderungen würde selbstverständlich keinen Verlust für Rumänien als Staat bedeuten, doch wird sie Liviu Dragnea dem Vorwurf des „nationalen Verrats“ seitens des chauvinistischen Rands seiner Wählerschaft aussetzen, der für den magyarophoben Diskurs der SRI-Agenten besonders empfänglich ist, die in der rumänisch-nationalen Presse und Blogosphäre regelrecht wimmeln.

Beurteile man freilich nach den Ergebnissen des bei den letzten Parlamentswahlen initierten Versuchsballons namens Partei des Vereinten Rumäniens (Partidul România Unită), so würde diese in den sozialen Netzwerken sehr aktive Szene in Wirklichkeit kaum mehr als 3% der Wähler wiegen – was wohl auch dem Gewicht des abtrünnigen „linken“ (liberalen) Flügels entspricht, den Corina Crețus in die Arme Victor Pontas (oder umgekehrt) bringen könnte: insgesamt ein Dutzend Parlamentarier, was, auch wenn ein Teil der 19 ALDE-Abgeordneten folgen sollten, a priori einen Verlust verursachen würde, der kleiner als die Verstärkung (18 Abgeordnete) der RMDSZ ausfallen würde. Als kluger Stratege ist sich Liviu Dragnea dessen bewusst und stellt sich also wahrscheinlich die Frage, inwiefern er sich erlauben kann, „das Leben seiner Regierung“ (sprich seine Freiheit, die durch das Vorgehen der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft bedroht wird) in die Hände der RMDSZ zu legen. Ein heikler Gedanke, in dem einerseits die gute Parteidisziplin, die der junge und talentvolle Hunor Kelemen an der Spitze der RMDSZ durchsetzen konnte, aber auch auf der anderen Waagschale der atavistische und irrationale Hass eines Großteils der ungarischen Eliten Siebenbürgens gegen die PSD hegen, eine Rolle spielen – wobei Letztere zwar nicht unbedingt den Gefühlen der Basis entsprechen, doch lautstark genug sind, um für Unsicherheit zu sorgen.

Wird Dragnea auf Visegrád oder auf eine (auf jeden Fall suizidale) Unterwerfung vor dem globalistisch dominierten Schattenstaat setzen? Hic Rhodus, Livie hic salta! (Hier ist Rhodos, hier soll Liviu springen!)

Bild: InPolitics.ro