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Im offenen Konflikt mit Frankreich und Deutschland über illegale Einwanderung stellt sich sich Italien auf die Seite der V4

Lesezeit: 11 Minuten

Von Olivier Bault.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf Kurier.plus veröffentlicht, der Seite des Instituts Wacław Felczak für polnisch-ungarische Zusammenarbeit.

Europäische Union – Am 22. Juli kündigte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in einer Pressekonferenz in Paris dass es zu einem Abkommen zwischen 14 europäischen Ländern bezüglich eines provisorischen bzw. freiwilligen Mechanismus der Umverteilung der von europäischen Schiffen im Mittelmeer gesammelten Migranten gekommen war. Macron bedrohte dabei wiederholt die Länder, die es ablehnen würden, sich an diesem „freiwilligen“ Mechanismus zu beteiligen, indem er warnte, dass Frankreich es nicht mehr akzeptieren würde, dass sie Strukturfonds von der EU erhielten. Auch wenn er kein bestimmtes Land nannte, so machte es für die französischen Medien keinen Zweifel: Macron dachte an die vier Länder der Visegrád-Gruppe und insbesondere an Ungarn und Polen. „Europa ist nicht à la carte wenn es um Solidarität geht,“ warnte der französische Präsident, „es darf nicht sein, dass manche Länder uns sagen: ,Ich möchte Euer Europa nicht, wenn es darum geht, die Last zu teilen, aber ich will es wohl, wenn es um die Strukturfonds gehtʼ“.

Ein neuer deutsch-französischer Umverteilungsplan für die Pflichtumsiedlung der Migranten, der dem alten sehr ähnlich ist

Gemäß den französischen Quellen dient das in Paris beschlossene Abkommen dazu, die unaufhörlichen Diskussionen zu vermeiden, wer wieviele Migranten aufnehmen soll, jedesmal wenn das Schiff einer NGO eine neue Operation vor den libyschen Küsten durchführt. Es basiert auf den zuvor vom deutschen Außenminister Heiko Maas vorgeschlagenen Plan, der zu einer „Koalition der willigen Länder“ aufgerufen hatte, um den europäischen Mechanismus der Pflichtumsiedlung zu ersetzen, nachdem letzterer u.a. wegen der Opposition der V4 gescheitert war. „Wir sollen mit den Mitgliedstaaten vorankommen, die bereit sind, Flüchtlinge zu empfangen,“ so Maas. Anlässlich eines informellen Treffens der Innen- und Justizminister am 18. Juli in Helsinki (Finnland übt derzeit den EU-Vorsitz aus) wurde der Plan Heiko Maasʼ vom deutschen Innenminister Horst Seehofer mit der Unterstützung seines französischen Amtskollegen Christophe Castaner vorgeschlagen. Frankreich nahm anschließend am 22. Juli die Initiative, ein informelles Treffen mit den Außen- und Innenministern der „Koalition der willigen Länder“ mit Vertretern der Europäischen Kommission, des UNHCR sowie der Internationalen Organisation für Migration in Paris zu organisieren. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Vorschlag Heiko Maasʼ nunmehr als deutsch-französische Initiative vorgestellt.

Allerdings wurden nur acht Länder genannt, die akzeptiert haben, „aktiv“ an einem solchen Mechanismus teilzunehmen, und zwar Frankreich, Deutschland, Finnland, Luxemburg, Portugal, Litauen, Kroatien und Irland. Macron versicherte, dass „vierzehn Länder sich derzeit im Prinzip mit dem deutsch-französischen Dokument einverstanden gezeigt haben,“ doch wurden die sechs restlichen Länder, die angeblich einverstanden seien, nicht genannt und wurden von den Medien auch nicht erwähnt, die über dieses informelle Treffen berichtet haben.

Eins ist sicher, Italien gehörte nicht dazu. Und das ist eine gute Nachricht für die Visegrád-Gruppe, denn die Erklärung Macrons über die Strukturfonds zeigt deutlich, dass im Sinne mancher europäischen Führer diese „Koalition der willigen Länder“, als sie im September auf EU-Ebene wie von Paris und Berlin geplant tiefgehender besprochen wird, zu einer neuen Version des altens EU-Umsiedlungsprogramm werden soll. Deswegen wurde dieser Vorschlag einer „Koalition der willigen Länder“ vom früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz sofort abgelehnt, nachdem er vom deutschen Außenminister Heiko Maas angekündigt wurde. Kurzʼ ÖVP wird als Favorit für die Nationalratswahlen im September gehandelt und Sebastian Kurz sollte vermutlich wieder zum Bundeskanzler gekürt werden. „Die Umverteilung der Migranten in Europa ist gescheitert,“ so Kurz am 13. Juli, „und wir sind erneut dabei, die Ideen von 2015 zu besprechen, die sich als undurchführbar erwiesen haben.“ Kurz erklärte weiter: „Die Frage ist heute viel eher, diesen skrupellosen Schmugglern das Handwerk zu legen, indem wir die im Meer aufgelesenen Menschen in ihre Heimat bzw. in die Transitländer zurückschicken, aber auch indem wir Initiativen für Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika starten,“ was genau das ist, wofür die Visegrád-Länder seit dem Anfang der aktuellen Migrantenkrise plädieren.

Faktisch würde der deutsch-französische Plan den Mitgliedsstaaten nicht nur die Herrschaft über die Einwanderung wegnehmen, sondern bloß die Tatsache,dass man darüber redet, sendet erneut ein Signal an dieEinwanderungskandidaten in Afrika und im Nahen Osten bzw. an die Schlepper in Nordafrika, dass die Tore Europas wieder dabei sind, ganz weit geöffnet zu werden. Ein solches Signal kann die von der Laxheit vieler europäischen Länder – darunter Frankreich und Deutschland, die den meisten Migranten sogar nach der Ablehnung ihres Asylantrags erlauben zu bleiben und im Schengenraum frei herumzureisen – genährte Anziehungskraft nur stärken (siehe hier die Zahlen per Ende 2018). Anlässlich einer Pressekonferenz in Helsinki war der französische Innenminister Christophe Castaner wohl gezwungen anzuerkennen, dass mehrere EU-Länder befürchten, dass ein solcher freiwilliger Umverteilungsmechanismus zu einem neuen massiven Ansturm von Migranten führe. Der von Leuten wie Maas, Seehofer, Castaner und Macron hervorgerufene Eindruck einer neuen Öffnung der Grenzen wird außerdem durch die Rückkehr ins Mittelmeer der Schiffe der NGOs verstärkt, die versuchen, Salvini dazu zu zwingen, die italienischen Häfen für illegale Einwanderung wieder zu öffnen, während Frankreich und Deutschland häufiger darauf appellieren, eine solche erneute Öffnung der italienischen Häfen vorzunehmen. Der deutsch-französische am 22. Juli in Paris beschlossene Mechanismus geht in der Tat weiterhin davon aus, dass die vor den Küsten Libyens aufgelesenen Migranten in die italienischen Häfen verschifft werden müssen, bevor sie unter den teilnehmenden Ländern verteilt werden. Wie für den nunmehr gestorbene Mechanismus der Pflichtumsiedlung würde die Umverteilung der Migranten nur diejenigen Asylanten betreffen, die eine vernünftige Chance haben, als Flüchtlinge anerkannt zu werden  sprich eine kleine Minderheit unter den Migranten, die illegal versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. Gemäß dem neuen deutsch-französischen Plan sollten die anderen Migranten in den italienischen Auffanglagern bleiben und dort auf ihre etwaige Heimführung warten. Vom Standpunkt Italiens aus gibt es in diesem Vorschlag nichts Neues und wird die Durchführung dieses Planes höchstwahrscheinlich dazu führen, dass der Druck auf die libyschen Küsten und die Anzahl der nach Europa kommenden illegalen Migranten erhöht werden. Und dadurch werden auch wieder mehr Menschen im mittleren Mittelmeer ertrinken.

Anzahl der Toten durch Ertrinken zwischen dem 1. Januar und dem 26. Juli (auf der mittleren Mittelmeerroute).

Quelle: https://missingmigrants.iom.int/region/mediterranean

Der italienisch-maltesische Plan

Italien und Malta waren am 17. und 18. Juli mit einem anderen Plan zum Gipfel nach Helsinki gekommen. Am 14. Juli, am Tag nach der Ankündigung Heiko Maasʼ im deutschen Medium RND beschrieb der italienische Außenminister Esteri Moavero Milanesi seinen eigenen Plan in einem Interview mit der Corriere della Sera. Was Rom und Valletta vorschlugen, war, den Menschen die Möglichkeit zu geben, die Anerkennung als Flüchtlinge beantragen zu können, während sie so nah wie möglich zu ihrem Herkunftsland bleiben, damit man die Anträge überprüfen könne, bevor die Migranten es versuchen, die EU-Außengrenzen illegal zu überqueren. Charterflüge würden dann organisiert, um diejenigen sicher nach Europa zu bringen, die wirklich als Flüchtlinge anerkannt werden, was den Schleppern ihre Kunden wegnehmen bzw. das viele unnötige Sterben im Meer vermeiden würde. Da die Anzahl der Personen, die dadurch nach Europa kämen, niedriger und kontrollierter wäre, wäre es dann für die EU-Mitgliedstaaten einfacher, sich auf einen Verteilungsmechanismus zu verständigen. Für diejenigen, die trotz allem versuchen würden, illegal nach Europa über das Meer zu gelangen, sieht der italienisch-maltesische Plan die Schaffung von Auffanglagern (sogenannte „Hotspots“) in allen EU-Ländern bzw. eine gemeinsame Politik vor, um die Herkunftsländer dazu zu bringen, ihre Bürger zurückzunehmen. Dieser Plan weist den Gedanken zurück, dass alle Migranten, die sich über das mittlere Mittelmeer auf den Weg nach Europa setzen, in Italien landen müssten, bevor sie in andere Länder umverteilt werden. Er sieht auch vor, dass allen Schiffen der NGOs die Zufahrt in die Such- und Rettungszonen Libyens und der Drittländer verweigert werden muss.

Salvini an Macron: „Italien wird nicht zum Flüchtlingslager Frankreichs“

Dieser Plan wurde in Helsinki abgelehnt, weil Deutschland und Frankreich den Plan Seehofers unterstützten. Der Vorsitzende der Lega, Matteo Salvini, bestätigte in einer am 18. Juli veröffentlichten Erklärung, nachdem ein Treffen am Tag zuvor zwischen den französischen, deutschen, italienischen und maltesischen Ministern stattgefunden hatte, dass der deutsch-französische Vorschlag aus italienischer Sicht unannehmbar sei, da „die bloße Umverteilung der [anerkannten] Flüchtlinge die schwer abzuschiebenden illegalen Migranten im Ankunftsland“ belasse. Und während der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat die Vorbereitung eines neuen Treffens der Innenminister dieser vier Länder (Deutschland, Frankreich, Italien und Malta) im September auf Malta ankündigte, ließ der Franzose Christophe Castaner seinerseits wissen, dass er alle EU-Länder für den 22. Juli nach Paris einlade, die gewillt seien, sich an einer „Koalition der willigen Länder“ zu beteiligen bzw. den deutsch-französischen Plan durchzuführen, der genauso wenig wie der italienisch-maltesische Plan in Helsinki von den EU-28 verabschiedet worden war. Dies erzürnte den Italiener Matteo Salvini, der es ablehnte, am Pariser Treffen teilzunehmen, und sich damit begnügte, eine „technische“ Delegation mit dem Auftrag hinzuschicken, jede neue gemeinsame Erklärung zu verhindern. Am 19. Juli schrieb Salvini seinem französischen Amtskollegen einen Brief, um seine Verwunderung auszudrücken, dass allein der deutsch-französische Vorschlag in Paris besprochen werden solle, während der italienisch-maltesische Vorschlag doch „eine breite Unterstützung“ unter den EU-Ländern bekommen habe. In seinem Brief betonte der Lega-Führer erneut die Notwendigkeit, die für die Such- und Rettungsaktionen waltenden Regeln zu revidieren, um jedem Verhalten ein Riegel vorzuschieben, das illegale und unkontrollierte Einwanderung fördere, bzw. die NGOs dazu zu zwingen, das internationale Recht und die nationalen Gesetze zu beachten. Laut Salvini vertraten viele auf dem Gipfel des EU-Rats für Justiz und Innenpolitik in Helsinki „sehr nahe Positionen zu denen Italiens, insbesondere was eine feste Verpflichtung für eine auf den Schutz der Außengrenzen sowohl der EU wie vom Schengenraum basierte Migrationspolitik anbelangt.

Nach der Ankündigung durch Präsident Macron, dass ein Abkommen unter seiner Schirmherrschaft von 14 Ländern beschlossen wurde (davon acht genannt und bezeichnet wurden, als seien sie bereit, „aktiv“ daran teilzunehmen) veröffentlichte der italienische Innenminister ein Video auf seiner Facebookseite, in dem er über seine heftige Reaktion berichtet, die französische Führung mokiert und Macron mit Du bzw. mit dessen Vornamen anspricht, um ihm mitzuteilen, dass wenn er wirklich die Häfen für die Migranten öffnen will, er dann eben die Häfen seines „großen, großzügigen und solidarischen Landes“ in Marseille, auf Korsika oder sonstwo öffnen solle. Salvini fügte noch hinzu, dass Italien keine Befehle von Frankreich zu erhalten habe und es nicht akzeptiere, dessen Flüchtlingslager zu werden, da es auch keine französische Kolonie sei.

Frankreich und Deutschland setzen Italien unter Druck, um die illegalen Migranten gemäß den Dublin-Regeln zurückzunehmen

Der von Salvini angewandte Ton war für die aufmerksamen Beobachter der Verschlechterung der französisch-italienischen Beziehungen keine Überraschung, seitdem diejenigen, die der französische Präsident mit Verachtung als „Populisten“ und „Nationalisten“ bezeichnet hatte, eine Regierungskoalition in Rom vor einem Jahr gebildet hatten. Das Gespött und die verbalen Attacken Salvinis waren meistens eine Antwort auf die äußerst arroganten Kritiken Emmanuel Macrons, die letzterer äußerst undiplomatisch der italienischen Führung und insbesondere Matteo Salvini gegenüber formuliert hatte. Diese Kritiken wurden in der gleichen Art und Weise ausgesprochen, wie sie auch vom französischen Präsidenten im vergangenen Herbst gegen die polnische und die ungarische Führung an den Tag gelegt wurde, als er anlässlich eines Besuchs in Pressburg gefragt hatte: „Was machen diese Führer mit dem verrückten Geist, die ihr Volk belügen?“ Der Ärger Salvinis wird auch dadurch genährt, dass während sie gleichzeitig Italien dazu aufrufen, seine Häfen aus humanitären Gründen zu öffnen, die französischen Behörden seit Jahren die Grenze zwischen Ventimiglia (Italien) und Menton (Frankreich) kontrollieren und die illegalen Migranten systematisch nach Italien zurückschicken, und zwar auch, so die in den italienischen Medien verbreiteten Informationen, wenn diese Migranten in beträchtlicher Entfernung von der italienischen Grenze erwischt werden, wobei diese Sofortabschiebungen in dem Fall gegen die europäischen Regeln verstoßen. Die Italiener werfen ebenfalls den Deutschen vor, die Regeln zu verletzen, wenn sie Migranten nach Italien gemäß den Dublin-Regeln zurückschicken, dass ein illegal nach Europa angekommener Migrant nur im ersten Ankunftsland Asyl beantragen kann. Während Deutschland und Frankreich ihn also auffordern, seine Häfen für die illegalen Migranten zu öffnen, befindet sich Italien unter hohem Druck seitens anderer EU-Länder die die Rücknahme von etwa 46.000 Migranten verlangen. Als Konsequenz der massiven Ankünfte von Migranten unter der Regierung von Matteo Renzi hat sich die gesamte Anzahl der Asylanten in Italien innerhalb von nur fünf Jahr verdreifacht, während die meisten der 188.000 Transferanträge seit 2013 aus Deutschland, Schweiz, Frankreich und Österreich kamen.

Um die Provokation zu vollenden hat die NGO SOS Méditerranée mit Sitz im französischen Marseille am Vortag des Pariser Treffens am 22. Juli eine neue Such- und Rettungsaktion angekündigt, die gemeinsam mit der französisch-schweizerischen NGO Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) bzw. mit einem größeren und schnelleren Schiff als die auf Antrag der italienischen Staatsanwaltschaft weiterhin blockierten Aquarius geführt werden soll. Die Ocean Viking – unter norwegischer Flagge – ist am 4. August aus dem Hafen von Marseille in Richtung libysche Küste ausgelaufen. SOS Méditerranée und MSF schätzen die Kosten dieser Operation mit ca. € 14.000 pro Tag. In einem am 12. Juli veröffentlichten Kommuniqué hatte die Stadt Paris einen Beitrag von € 100.000 zugunsten dieses kostspieligen Einsatzes angekündigt. Diese Subvention seitens der französischen Hauptstadt war zeitgleich mit der Verleihung durch das Pariser Rathaus der Grand-Vermeil-Medaille der Stadt Paris an Carola Rackete und Pia Klemp bekanntgegeben worden, zwei deutsche NGO-Kapitäninnen, die in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung angeklagt werden, bzw. was Frau Klemp betrifft, ebenfalls wegen angeblicher Kollusion, sprich Absprache, mit den Schleppern.

Französische Verantwortung für die Lage in Libyen

Die derzeitige Situation in Libyen macht das Ganze noch schlechter. Seit

die Libysche Nationale Armee (LNA) im April eine Offensive gegen den Nationalen Übergangsrat (Government of National Accord, GNA) – die von der UNO anerkannte Regierung Libyens – gestartet hat, haben sich die Aufenthaltsbedingungen von Hunderttausenden von in Libyen blockierten illegalen Migranten dramatisch verschlechtert, insbesondere in den libyschen Auffanglagern, die nun Anspruch darauf erheben können, aus einem Kriegsgebiet zu fliehen, wenn sie mitKleinbooten aufs Meer mit der Hoffnung fahren, von einem europäischen Schiff aufgelesen zu werden. Während die LNA von Paris unterstützt wird, steht Italien auf der Seite der GNA bzw. basiert dessen wirksamer Kampf gegen illegale Einwanderung seit dem Sommer 2017 auf dessen Zusammenarbeit mit Tripolis. Obwohl Frankreich jedwede Hilfe für die LNA leugnet, wurden anfangs Juli vier Panzerabwehrraketen des Typs Javelin aus französischen Beständen in einer von den GNA-Truppen zurückeroberten LNA-Basis entdeckt.

Dies ereignet sich gerade acht Jahre, nachdem Frankreich und Großbritannien durch Luftangriffe Chaos in Libyen gesät haben, was die Ermordung Muammar al-Gadaffis zur Folge hatte, wogegen Italien sich damals ohne Erfolg ausgesprochen hatte, u.a. weil es damals fürchtete, dass der französisch-britische Angriff zu einem massiven Migrantenansturm nach Europa über Italien führen würde. Es ist also noch ein Grund mehr, weswegen Matteo Salvini nicht bereit ist, Lektionen in den Fächern Moral und Menschlichkeit seitens Emmanuel Macron in der Frage der illegalen Einwanderung zu erhalten.

Es gehört auch betont zu werden, dass die Erfolge der italienischen Politik gegen die illegale Einwanderung über das mittlere Mittelmeer zu einer Senkung von über 75% – im Vergleich zu den 330.000 Menschen im Jahr 2016 – des Migrantenstroms von Niger nach Libyen geführt hat. Falls Italien seine Häfen in Übereinstimmung mit dem deutsch-französischen Plan wieder öffnen sollte, ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Trend sich erneut umkehren würde und es zu einer Erhöhung der Anzahl der in Libyen blockierten Migranten führen würde.

Die gemeinsame Migrationspolitik, die Europa braucht, ist diejenige, die von Italien und der V4 vertreten wird

Während gleichzeitig der Migrantenstrom nach Spanien und die Anzahl an ertrunkenen Menschen im westlichen Mittelmeer seit dem Amtsantritt Pedro Sanchezʼ als spanischer Ministerpräsident im Juni 2018 dramatisch steigen, hat die Türkei soeben mitgeteilt, dass sie die Durchführung des mit der EU geschlossenen Abkommens über die Rucknahme von Migranten suspendiere. Das alles zeigt wohl, dass eine gemeinsame EU-Politik notwendig ist, doch darf es sich nicht um eine Politik handeln, die den Anziehungsfaktor verstärkt, den die Erleichterung der Überfahrt nach Europa darstellt, während man die Last der illegalen Einwanderung von einigen wenigen Ländern allein tragen lasse.

Was den italienisch-maltesischen Vorschlag anbelangt, so soll daran erinnert werden, dass Salvini bei seinem Besuch in Ungarn im vergangenen Mai die Schaffung von Auffanglagern außerhalb Europas bzw. harte wirtschaftliche Sanktionen gegen die Herkunftsländer befürwortete, die es ablehnen, ihre Landsleute zurückzunehmen. Er hat damals ebenfalls gesagt: „Wir hoffen, dass ab dem 27. Mai [nach den Europawahlen, NdR] das neue Europa dessen Außengrenzen schützen wird, seien es Grenzen zu Land wie in Ungarn oder zu Wasser wie in Italien, denn das Problem ist es nicht, die Migranten zu verteilen, die hierher ankommen, sondern die Ankunft von Tausenden zusätzlicher Migranten zu verhindern“. Das ist genau der von den V4-Ländern seit der großen Migrantenkrise im Jahr 2015 vertretene Standpunkt. Zu diesem Anlass warnte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Europäer ebenfalls, dass sie auf diesem Gebiet vielmehr auf Italien und Ungarn statt auf den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron hören sollten.

Markus Söder, der Vorsitzende der bayrischen CSU, der Horst Seehofer ebenfalls angehört, meinte seinerseits, dass das Treffen zwischen Orbán und Salvini „ein schlechtes Zeichen“ sei und dass es „mit den Rechtspopulisten in Europa keine Zusammenarbeit gibt bzw. geben darf“. Immer noch im Mai sagt der deutsche Innenminister Horst Seehofer mehr oder weniger das gleiche, sprich dass er seinem italienischen Amtskollegen nicht vertrauen könne. Polen unterstützt seinerseits – wie Ungarn – die von Salvini geführte Politik der gesperrten Häfen.

Es ist also heute ganz klar, dass die Europäische Union in der Frage der illegalen Einwanderung in zwei Lagern gespalten ist. Eines davon wird vom deutsch-französischen Tandem geführt, das andere von Italien und der Visegrád-Gruppe. Mit nur acht Ländern, die versprochen haben, sich aktiv am neuen deutsch-französischen Umverteilungsplan zu beteiligen, steht die V4 heute in einer viel besseren Position da, um eine Mehrheit der EU-Länder zu überzeugen, als wenn nur vier Länder allein (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Rumänien) es abgelehnt hatten, dem pflichtigen Umsiedlungsplan im September 2015 zuzustimmen. Und vergessen wir nicht, dass die Fakten in dem Gebiet inzwischen der V4 Recht gegeben haben, auch wenn manche dies partout immer noch nicht wahrnehmen wollen. Italien befindet sich nunmehr im Lager der Visegrád-Gruppe und sollte es noch länger bleiben. Auch nach dem Platzen der Koalition zwischen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) nach dem Ruf Salvinis nach Neuwahlen am 8. August und dem am Tag darauf von den Senatoren der Lega angekündigten Mißtrauensantrag zeigen die Umfragen, dass Neuwahlen der Lega alle Chancen geben sollten, die Führung einer neuen Rechtskoalition mit Parteien zu nehmen, mit denen sie schon auf lokaler bzw. regionaler Ebene zusammenarbeitet, oder auch mit den nationalistischen Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) bzw. sogar u.U. mit einer Alleinregierung. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden also Matteo Salvini und die Lega in den kommenden Jahren die Migrationspolitik Italiens weiterhin bestimmen können.

Übersetzt ins Deutsche für die Visegrád Post.