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Die von der Kommission Juncker hinterlassenen Hindernisse für eine Verbesserung der Beziehungen mit Warschau und Budapest

Lesezeit: 9 Minuten

Von Olivier Bault.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Kurier.plus veröffentlicht, der Internetseite des Instituts für polnisch-ungarische Zusammenarbeit Wacław Felczak.

Europäische Union – Während Polen und Ungarn kaum auf das neue Europaparlament zählen können, das nach den Wahlen vom 23.-26. Mai konstituiert wurde, um eine weniger offensive Linie gegen ihre jeweiligen Regierungen einzunehmen, scheinen die Regierenden dieser Länder zu glauben, dass die neue Kommission unter der Leitung Ursula von der Leyens, die die Kommission Juncker ab 1. November ablösen wird, entgegenkommender sein wird. Allerdings, auch wenn der bisherige erste Vizepräsident der Kommission, zuständig für den Rechtsstaat, Frans Timmermans, in der künftigen Kommission andere Aufgaben erhalten wird, so wird es immer noch eine gewisse Anzahl an ungelösten Problemen geben, von denen ein Teil von der ausscheidenden Kommission vor den Gerichtshof der Europäischen Union schon vorgebracht wurden bzw. gerade davor stehen vorgebracht zu werden.

Manche dieser Probleme sind ganz normale Angelegenheiten, die den gemeinsamen Binnenmarkt und die Konkurrenz betreffen, alles Bereiche, in denen die Kommission ein Verfahren gegen Mitgliedstaaten einleiten kann, von denen sie meint, dass sie die gemeinsamen Regeln nicht beachten. Manchmal sind es im Gegenteil die Mitgliedstaaten, die von der Kommission getroffene Entscheidungen bzw. vom Parlament oder vom Europäischen Rat angenommene Richtlinien hinterfragen, wie es zum Beispiel für die 2018 angenommene Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Lieferung von Dienstleistungen, die von Polen und Ungarn bestritten wurde. Allerdings sind andere Angelegenheiten höchst politisch wie die Reformen des Justizwesens in Polen oder die Gesetze über illegale Einwanderung bzw. Hochschulwesen in Ungarn, oder die Ablehnung Polens, Tschechiens und Ungarns, Asylantenquoten anzunehmen, die von der Kommission vor den Gerichtshof der Europäischen Union vorgebracht wurden. Somit, auch wenn der Europäische Rat nunmehr offiziell den Mechanismus der Pflichtumsiedlung aufgegeben hat – obwohl eine vom deutsch-französischen Tandem geführte Gruppe von Staaten nun versucht, ihn unter veränderter Form wieder zu beleben –, wartet die Ablehnung dieser drei Staaten immer noch auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union.

Das Verfahren nach Artikel 7 gegen Polen und Ungarn wird im Europäischen Rat blockiert

Und dann gibt es auch noch die Sanktionsverfahren nach Artikel 7 – die die Kommission im Dezember 2017 gegen Polen und im September 2018 gegen Ungarn eingeleitet hat –, die noch feststellen sollen, ob „die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 [des EU-Vertrags] genannten Werte durch einen Mitgliedstaat,“ sprich des Rechtsstaats besteht. Die beiden Verfahren warten immer noch auf eine Feststellung durch den Europäischen Rat, die mit einer Vierfünftelmehrheit der Mitglieder erfolgen soll. Solange eine solche Abstimmung nicht stattgefunden hat, kann das Verfahren nicht fortgesetzt werden. In Erwartung dessen hat Ungarn die Abstimmung vor den Gerichtshof gebracht, durch den das Europaparlament das Verfahren nach Artikel 7 gegen Budapest eingeleitet hat. Ungarn ersucht den Gerichtshof, „die Resolution des Europaparlaments vom 12. September 2018 betreffend einen Antrag zu annullieren, der den Europäischen Rat bittet, gemäß Artikel 7,1 des EU-Vertrags feststellen zu wollen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch Ungarn besteht,“ und argumentiert hierfür, dass die Nichtberücksichtigung der Enthaltungen in der Berechnung der Stimmen bei der Abstimmung im September 2018 „die Bestimmungen des Art. 354 des EU-Vertrags bzw. die interne Hausordnung des Parlaments grob verletzt“ hatte. Diese Sache wartet (im August 2019) immer noch auf ein Urteil des Gerichtshofs.

Wie auch immer der Ausgang dessen sei, sollte der Europäische Rat sowieso einstimmig handeln, um Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat gemäß Artikel 7 verhängen zu können. Dies hat zur Konsequenz, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die von der Kommission und vom Parlament eingeleiteten Verfahren je zu konkreten Sanktionen führen, beinahe gleich null sei, insbesondere solange der PiS und der Fidesz in ihren jeweiligen Ländern an der Macht sind, da Polen und Ungarn einander versprochen haben, ein Veto gegen Sanktionen einzulegen, die das jeweilige andere Land betreffen würden.

Immerhin hat das von einer linksliberalen Koalition regierte Finnland angekündigt, die Frage des Rechtsstaats zu einem Hauptanliegen seiner turnusmäßigen Präsidentschaft zu machen, die am 1. Juli begonnen hat, bzw. scheint die linksliberale finnländische Regierung insbesondere die rechtskonservativen Regierungen an der Macht in Polen und Ungarn ins Visier nehmen zu wollen. Gemeinsam mit anderen wirbt auch Helsinki für die Verknüpfung der Gewährung von EU-Subventionen mit dem Beachten des– im Sinne von Brüssel betrachteten – Rechtsstaats. Dieser offen getragene Wille der Finnländer hat seit Juli zu einem Austausch verbaler Attacken mit der ungarischen Führung geführt.

Die Reformen des polnischen Justizwesens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union

Die 2016 von der Europäischen Kommission getroffene Entscheidung, eine progressiv gestaffelte Gebühr zu blockieren, die einem Wahlversprechen des PiS entsprach, führte schließlich im April zu einer peinlichen Niederlage der Kommissarin für Wettbewerb Margrethe Vestager, und zwar in einem breiteren Zusammenhang, in dem die Luxemburger Richter zwischen November 2018 und Mai 2019 die Kommission in 17 von 41 Sachen bezüglich öffentlicher Unterstützungen desavouierte, so eine Berechnung des Magazins Politico. Nach der 2016 von der Kommission getroffenen Entscheidung hatte Warschau sein Gesetz außer Kraft gesetzt, dessen Ziel es gewesen war, höhere

Gebühren von größeren Geschäften – die meistens von ausländischem Kapital kontrolliert werden – zu kassieren, denn der PiS meinte, dass die Kommission Juncker nach allen möglichen Ausreden suchte, um Polen nach dem PiS-Wahlsieg im Oktober 2015 anzugreifen. Und tatsächlich ist die Kommission im Juli in Berufung gegen die Entscheidung des Gerichtshofs gegangen. Somit bleibt diese Frage im Zentrum der laufenden Streitigkeiten zwischen der Europäischen Kommission und der polnischen Regierung.

Seinerseits hat Polen eine bedeutende Niederlage vor dem Gerichtshof in einem wichtigen Punkt ihrer Justizreformen erlitten, und zwar bezüglich des Pensionsalters von amtierenden Richtern des Obersten Gerichts (Kassarionsgericht) und des Obersten Verwaltungsgerichts. Die im September 2018 von der Europäischen Kommission vor den Gerichtshof vorgebrachte Klage betraf die Kürzung des Mandats der amtierenden Mitglieder des Obersten Gerichts bzw. des Obersten Verwaltungsgerichts. Laut der Kommission habe „die Republik Polen einerseits mit der Herabsetzung des Pensionsalters der Richter des Obersten Gerichts (Sąd Najwyższy) und mit der Anwendung dieser Änderung an den vor dem 3. April 2018 ernannten Richtern dieses Gerichts, und andererseits, indem es dem polnischen Staatspräsidenten die Befugnis erteilte, die aktive Amtszeit der Richter nach eigenem Ermessen zu verlängern, gegen die ihr obliegenden Pflichten gemäß Artikel 19,1 zweiter Absatz der EU-Grundrechtecharta verstoßen.“ Polen meinte seinerseits, dass gemäß den europäischen Verträgen die Europäische Kommission und der Gerichtshof der Europäischen Union nicht kompetent seien, um seine Reformen des Justizwesens in Frage zu stellen, da die Organisation des nationalen Justizwesens der exklusiven Kompetenzen jedes einzelnen Mitgliedstaats obliege.

Trotzdem hat Polen dieses Verfahren verloren, nachdem – wie es öfters der Fall ist – der Gerichtshof sich dem Schlussantrag des Generalanwalts vom 20. Juni 2019 angeschlossen hat. Doch hatte Warschau sein Gesetz schon im Dezember 2018 nach einer provisorischen Entscheidung des Gerichtshofs verändert, der vorsorglich die Aussetzung der Klauseln des polnischen Gesetzes, die das Pensionsalter der amtierenden Richter festlegte. Polen hatte sich also einem etwaigen ungünstigen Urteil in Luxemburg im voraus angepasst, somit sollte dieses keine Fortsetzung des Konflikts zwischen Brüssel und Warschau in dem Bereich zur Folge haben. Gleiches gilt für das differenzierte Pensionsalter der männlichen und weiblichen Richter, das an das allgemeine in Polen gültige Recht angepasst worden war: 65 Jahre für die Männer und 60 Jahre für die Frauen. Für die Richter beider Geschlechter ist nun das Pensionsalter wieder gleichgestellt worden (65 Jahre), als diese Bestimmung des Reformgesetzes 2018 wieder rückgängig gemacht wurde.

Es gibt allerdings eine weitere Angelegenheit, die die ausscheidende Europäische Kommission vor den Gerichtshof vorbringen möchte, die die Chancen einer Aufheiterung der stürmischen Beziehungen zwischen Warschau und Brüssel ruinieren könnte. Diese Affäre betrifft die Gründung einer neuen Disziplinarkammer beim polnischen Obersten Gericht und die Ernennung von deren Mitgliedern durch den Landesrat für Gerichtsbarkeit (Krajowa Rada Sądownictwa, KRS), dessen Mitglieder wiederum mehrheitlich durch das heutige vom PiS dominierte Parlament gewählt wurden. Die Reformen des PiS haben in der Tat zuerst das Ernennungsverfahren der 15 im KRS sitzenden

Richter verändert, der aus insgesamt 25 Mitgliedern besteht. Sie werden nicht mehr von ihren Kollegen sondern vom Parlament ernannt. Im März hat das polnische Verfassungsgericht (dessen Legitimität von der Kommission Juncker seit seinen sukzessiven Reformen durch das polnische Parlament 2016 in Frage gestellt wird) bestätigt, dass diese Reform die polnische Verfassung nicht verletze. Doch wollen die Europäische Kommission und Vizepräsident Timmermans davon nichts hören und versprechen heute, sich auch diesbezüglich an den Gerichtshof der Europäischen Union wenden zu wollen. Die Prozedur dazu wurde eingeleitet, seitdem die Kommission Polen offiziell um Aufklärung gebeten hat und sich Mitte Juli mit den erhaltenen Antworten unzufrieden gezeigt hat.

Parallel zum von der Kommission geführten Verfahren hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union schon dieses Aspekts der polnischen Reformen aufgrund von Vorabentscheidungsverfahren angenommen, die von polnischen Richtern eröffnet wurden, die diesen europäischen Mechanismus benutzen, um gegen Gesetze Widerstand zu leisten, die von der Parlamentsmehrheit verabschiedet wurden, und dabei den Gerichtshof dazu verleiten, seine Befugnisse über die Bereiche hinaus zu erweitern, die von den europäischen Verträgen vorgesehen wurden. Der Generalanwalt des Gerichtshofs hat am 27. Juni einen für Polen ungünstigen Schlussantrag über diese Frage veröffentlicht, der vermuten lässt, dass der Gerichtshof erklären könnte, dass die Änderung des Ernennungsverfahrens der KRS-Richter dem allgemeinen Unabhängigkeitsprinzip der Richter widerspreche, das sich aus den europäischen Verträgen bzw. aus dem Artikel 19,1 des EU-Vertrags ergibt, der besagt, dass „die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsbehelfe [schaffen], damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.“ Der Generalanwalt Evgeni Tanchev – ein Bulgare, der seine Karriere als Juraprofessor unter der kommunistischen Diktatur begonnen hatte – scheint diesen Satz so zu betrachten, als gäbe er dem Gerichtshof das Recht, über die Organisation des Justizwesens in den Mitgliedstaaten zu befinden.

Es ist allerdings schwierig, sich vorzustellen, wie Polen in dieser Frage weichen würde. Einerseits wurde diese Reform vom polnischen Verfassungsgericht bestätigt, das im polnischen Recht bzw. gemäß der polnischen Verfassung das einzige Gericht ist, das kompetent ist, um darüber zu befinden. Andererseits würde die Außerkraftsetzung dieser Reform die Ernennung aller Richter (nicht nur die der Disziplinarkammer beim Obersten Gericht) in Frage stellen, die seit dem Inkrafttreten im vorigen Jahr des KRS-Reformgesetzes ernannt wurden. Außerdem gehört diese Reform zu den Versprechungen des PiS vor den Wahlen von 2015, dem Gefühl der Straflosigkeit bzw. dem Korporatismus der Richter ein Ende zu setzen.

Europäische Kommission gegen Ungarn

Was Ungarn betrifft, so brachte die Kommission Juncker ebenfalls eine ganze Reihe von Affären vor den Gerichtshof der Europäischen Union, um die Kompetenz der Europäischen Union in Bereichen zu behaupten, die von den europäischen Verträgen nicht unmittelbar vorgesehen sind. Diese Affären sind höchst politisch.

Die letzte von der Kommission eingeleitete Aktion betrifft die ungarischen sog. „Soros-Gesetze“. Diese Gesetze, die zum Ziel haben, gegen illegale Einwanderung vorzugehen, wurden letztes Jahr verabschiedet, kurze Zeit nachdem die Fidesz-KDNP-Koalition die Parlamentswahlen zum dritten Mal in Folge mit großer Mehrheit gewonnen haben. Diese Gesetze standen im Zentrum der politischen Debatte während des Wahlkampfs und es liegt daher nahe zu denken, dass die ungarischen Wähler diesen zugestimmt haben, indem sie massiv der von Viktor Orbán geführten Koalition ihre Stimmen gaben. Trotzdem brachte die Europäische Kommission die ungarischen Asylgesetze in Dezember 2018 vor den Gerichtshof und meinte dabei, dass diese Gesetze die EU-Grundrechtecharta verletzen würden, bzw. kündigte sie Ende Juli 2019 an, dass sie dem Gerichtshof anzeige, dass Ungarn mit dem sog. „Stopp-Soros-Gesetz“ die „Aktivitäten zur Unterstützung der Asylwerber kriminalisieren“ würde. Die ungarische Regierung antwortete, dass sie bereit war, sich vor Gericht zu verantworten, insofern ihre Gesetzgebung dem Willen des ungarischen Volkes entspreche, und bezichtigte die Europäische Kommission „weiterhin am Werk zu sein, um die schmutzige Arbeit der Einwanderungsförderer zu vollenden“ bzw. zu versuchen „Druck auf Ungarn auszuüben, damit es seine strengen Regeln in Bezug auf Einwanderung aufgebe und seine für den Grenzschutz so maßgeblichen Transitzonen abschaffe.“

Die Europäische Kommission hatte den Gerichtshof schon im Dezember 2017 gegen Ungarn wegen dessen neuen Gesetzes bezüglich der vom Ausland finanzierten NGOs angerufen, die bestimmt, dass diese NGOs den Behörden und der Öffentlichkeit jede Finanzierung durch das Ausland offenlegen müssen, sofern es sich nicht um öffentlichen EU-Fonds handle bzw. diese Subventionen den Betrag von 7,2 Mio. Forint (ca. € 22.000) übersteigen. Einer der Gründe, der für die Verabschiedung einer solchen Gesetzgebung angegeben wurde, ist, dass die vom Ausland finanzierten NGOs verdächtigt werden, eine Schlüsselrolle in der illegalen Einwanderung nach Ungarn gespielt zu haben, und das erklärte Ziel war es also, sie zu mehr Transparenz über ihre Aktivitäten und Motivationen zu zwingen. Dieser Streit ist vom Gerichtshof noch nicht entschieden worden.

Die Europäische Kommission rief ebenfalls im Dezember 2017 den Gerichtshof wegen des ungarischen Gesetzes über das Höhere Unterrichtswesen an, von dem besagt wurde, dass es sich ganz besonders die Central European University ins Visier nahm, einer Institution, die vom jüdisch-ungarisch-stämmigen amerikanischen Milliardär George Soros gegründet wurde und finanziert wird, der seine fortschrittlichen Ansichten in der Welt zu verbreiten versucht und sich Viktor Orbán gegenüber sehr kritisch äußert. Die Central European University ist inzwischen von Budapest nach Wien umgezogen, da das ungarische Gesetz über das Höhere Unterrichtswesen nunmehr vorschreibt, dass nicht EU-stämmige Universitäten, die eine Zweigstelle in Ungarn unterhalten auch in ihrem Heimatland tätig seien, was für diese Universität nicht der Fall ist.

Wie zuvor erwähnt betrifft eine weitere seit 2017 auf Betreiben der Europäischen Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Affäre die Ablehnung durch Ungarn, Polen und Tschechien, ihre Quote an Asylanten aufzunehmen, wie sie die Entscheidung des Europäischen Rats von September 2015 über die Pflichtumsiedlung der illegal in Griechenland und Italien gelandeten Migranten vorsah. Dieser Umsiedlungsmechanismus wurde offiziell aufgegeben, da die meisten Länder ihre jeweiligen Quoten nicht erfüllt haben, doch anders als die anderen „haben diese drei Länder nicht mitgeteilt, wie sie gedenken, ihren Beitrag an der Durchführung dieser Umsiedlung zu leisten.“ Wie die Kommission es in der Tat im Pressekommuniqué mitteilte, mit dem sie die Verweisung an den Gerichtshof ankündigte, „hat Ungarn seit dem Anfang des Umsiedlungsprogramm gar nichts unternommen bzw. hat Polen seit Dezember 2015 niemanden aufgenommen und keine Versprechung ausgesprochen. Tschechien hat seit August 2016 niemanden empfangen und seit über einem Jahr keine Versprechung ausgesprochen.“ Die Klage der Kommission findet statt, drei Monate nachdem der Gerichtshof die von Polen unterstützten Einsprüche Ungarns bzw. der Slowakei gegen den Mechanismus der Pflichtumsiedlung abgewiesen hat.

In einer weiteren mit den aktuellen Streitigkeiten über die seit 2010 von den sukzessiven Regierungen Viktor Orbáns realisierten Reformen eng verbundenen Affäre, ist es Ungarn, das vor den Gerichtshof der Europäischen Union gegen die Kommission vorgegangen ist. Dieser Rechtsstreit betrifft die im November 2016 von der Kommission getroffene Entscheidung, eine Gebühr über den von den Medien durch die Verbreitung oder Veröffentlichung von Werbung erzielten Umsatz als eine den Regeln des Binnenmarkts widrigen öffentliche Hilfe zu betrachten. Die gestaffelte Rate dieser Gebühr zielte darauf ab, die kleinen Medien (meistens mit ungarischem Kapital) gegenüber den großen Medien (meistens mit ausländischem Kapital) zu begünstigen bzw. war ihr offizielles Ziel, den Pluralismus der Medien zu stärken. Genauso wie für das polnische Gesetz über die Absatzwirtschaft (siehe oben) ging die Europäische Kommission gegen das Urteil des Gerichtshofs von Juni 2019 in Berufung, das ihre Entscheidung von 2016 kippte.

Die weiteren anhängigen Streitsachen zwischen Polen bzw. Ungarn und der Europäischen Kommission vor dem Gerichtshof der Europäischen Union sind weniger politischer und eher technischer Natur und sollten logischerweise einer Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden mitteleuropäischen Hauptstädten und Brüssel nicht im Wege stehen. Doch scheint die ausscheidende Kommission Juncker zu versuchen – und zwar noch bevor sie von der Kommission von der Leyen ersetzt wird –, ihr Vorgehen gegen Polen und Ungarn zu verschärfen, indem sie die neuen Verfahren vor dem Gerichtshof anhäuft. Es bleibt also zu sehen, ob die neue Kommission die gleichen Anstrengungen unternehmen wird, um den Mitgliedstaaten eine massive Einwanderung aufzuzwingen bzw. die rechtskonservativen Regierungen Mitteleuropas unter Kuratel zu stellen. Da sie eine entscheidende Rolle in der Ernennung der Deutschen Ursula von der Leyen an der Spitze der Kommission spielten, haben die polnischen und ungarischen Regierenden seitdem mehrmals ihre Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen ausgesprochen. Es bleiben allerdings bedeutende Hindernisse für eine solche Verbesserung und die ausscheidende Kommission Juncker hat durchaus vor, ein paar Zeitbomben zu hinterlassen.

Übersetzt von Visegrád Post.