Die Visegrád-Gruppe und Österreich haben sich in Budapest für einen Gipfel über die Migrationsfrage getroffen, wobei sie den europäischen „Mini-Gipfel“ diesbezüglich kurzschlossen, dessen Boykott sie dabei ankündigten.
Ungarn – Am Donnerstag, den 21. Juni empfang Budapest einen Gipfel der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) mit Österreich. Die Regierungschefs der fünf Länder kamen auf Einladung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zusammen, um über die Migrationsfrage zu sprechen.
Österreich wurde zu diesem Gipfel insbesondere geladen, weil es im zweiten Halbjahr 2018 die Führung des Rates der Europäischen Union übernehmen wird. Infolge der Ankündigung der Einrichtung einer Anti-Einwanderungs-Achse auf Initiative der Innenminister Österreichs (Herbert Kickl, FPÖ), Italiens (Matteo Salvini, Lega Nord) und der Bundesrepublik (Horst Seehofer, CSU) nimmt die Einladung des jungen österreichischen Bundeskanzlers eine zusätzliche Dimension. Die Zusammenarbeit und der plötzliche Gleichgang von Italien, Österreich und – vielleicht – Deutschland mit der Migrationspolitik der Visegrád-Gruppe würde sicherlich ein Umschwenken in der Behandlung der Einwanderung in Europa bedeuten.
Was die Haltung der V4 gegenüber Brüssel erklärt: die Anführer der Visegrád-Gruppe haben angekündigt, dass sie am formlosen „Mini-Gipfel“ über die Migrationsfrage nicht teilnehmen werden, der am Sonntag, den 24. Juni auf der Initiative der Europäischen Kommission stattfinden soll. Für die Anführer der V4 soll ihr Ansprechpartner der Präsident des Europäischen Rats Donald Tusk bleiben. Letzterer kam somit am Freitag, den 22. Juni in Budapest vorbei, um sich mit Viktor Orbán im Hinblick auf den Gipfel vom 28. Juni zu unterhalten.
Diese Ablehnung des „Mini-Gipfels“ der Kommission klingt wie ein neuer Schlag in dem Kampf, der zwischen besagter Kommission und der Visegrád-Gruppe tobt. „Die Europäische Union ist ein komplexer Institutionssystem und Überstürzung bringt Chaos,“ erklärte Viktor Orbán, um die Zurückweisung der Einladung der Kommission zu rechtfertigen. „Es obliegt nicht der Kommission, einen Gipfel der Regierungschefs zu organisieren“, betonte er.
Die Visegrád-Gruppe reicht Österreich die Hand
Für Viktor Orbán ist es wichtig, dass man sich auf europäischer Ebene auf die einstimmigkeitsfähigen Themen fokussiere und die Streitfragen außen vor lasse. Somit betonte der ungarische Ministerpräsident die Notwendigkeit für die Union, sich auf den Schutz der Außengrenzen und die Einrichtung von Flüchtlingslagern außerhalb der EU zu konzentrieren.
Viktor Orbán erinnerte daran, dass Ungarn und die Visegrád-Gruppe ganz besonders mit einem Erfolg der österreichischen Präsidentschaft des EU-Rates rechnen, um zu einer „stärkeren, gerechteren und sichereren“ Europäischen Union zu kommen.
Gemäß dem ungarischen Ministerpräsidenten ermöglichte dieser V4-Österreich-Gipfel ebenfalls über die Themen zu sprechen, worüber man sich nicht einig ist – wie die Frage der Atomenergie –, doch betonte er die Art und Weise, wie die Debatte stattfand. „Es hat meine Gewissheit verstärkt, dass Mitteleuropa nicht bloß ein Teil der Union ist. Wenn ich dessen Kultur, den Professionalismus und den Mut von dessen Anführer betrachte, bin ich davon überzeugt, dass unsere Region die EU stärker macht. Wir bereiten uns auf as Erstarken Mitteleuropas vor und das wird durch die slowakische Präsidentschaft der V4 und die österreichische Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union geschehen,“ so Viktor Orbán.
Die Ministerpräsidenten Polens, Tschechiens und der Slowakei betonten ebenfalls die Hoffnung, die sie auf Österreich bezüglich des EU-Haushalts für den nächsten Zyklus setzen.
Österreich auf der Wellenlänge der Visegrád-Gruppe
Während der gemeinsamen Pressekonferenz sprachen die fünf Regierungschefs in einer ähnlichen Weise über die Einwanderung. Während Viktor Orbán im Namen der Visegrád-Gruppe – dessen Präsidentschaft er bis zum Ende des Treffens innehatte – sagen konnte, dass die V4 eine einstimmige Auffassung über die Migrationsfrage habe, hat der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz es nicht versäumt, durchblicken zu lassen, dass er diese Auffassung teile.
In seiner Rede erklärte Sebastian Kurz, dass die Priorität Österreichs während dessen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union die Sicherheit, die Vermehrung des Wohlstands der europäischen Bürger und die Wiederherstellung der Zusammenarbeit unter den Mitgliedsstaaten sein wird. „Wir möchten nicht, dass es die Verteilung der Migranten sei, die die Debatten beherrscht, sondern, dass wir uns auf den gemeinsamen Schutz der Außengrenzen konzentrieren,“ so Sebastian Kurz, der an das drei Jahre alte Projekt der Visegrád-Gruppe anknüpfte und anschließend daran erinnerte, dass ein Europa ohne Binnengrenzen nur dann garantiert werden könne, wenn man die Außengrenzen schütze. Der österreichische Bundeskanzler betonte, ein schützendes Europa für dessen Bürger zu wollen, und präzisierte, dass dies durch den Kampf gegen illegale Einwanderung geschehen solle. Er möchte die europäische Agentur Frontex verstärken, um zu erreichen, dass man die Schiffe der Schlepper daran hindern könne, abzulegen, u.a. indem man mit den Behörden von Drittländern zusammenarbeite, damit Frontex in deren Hoheitsgewässern eingreifen könne.
Der österreichische Bundeskanzler erinnerte ebenfalls indirekt daran, dass sein Land die Visegrád-Länder in deren Opposition gegen Brüssel unterstütze. Für Sebastian Kurz, der darauf hofft, die Zusammenarbeit unter den europäischen Nationen verbessern zu können, ist es wichtig keine unterschiedlichen Kategorien von Mitgliedsstaaten zu sehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der österreichische Bundeskanzler erklärte, die Auffassung der V4 bezüglich der EU-Erweiterung in Richtung Westbalkan zu teilen.
Am Ende des Treffens übergab der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Präsidentschaft der Visegrád-Gruppe an seinen slowakischen Amtskollegen Peter Pellegrini. Ab dem 1. Juli 2018 übernimmt die Slowakei für ein Jahr die turnusmäßige Präsidentschaft der V4. Die Slowakei kündigte die drei Achsen ihrer Präsidentschaft an: ein starkes Europa, eine sichere Umwelt und intelligente Lösungen. Während ihrer Präsidentschaft wird die Slowakei manchen heiklen Ereignissen begegnen, wie den Europawahlen bzw. dem Votum des EU-Haushalts. „Die Standpunkte der V4 haben nicht immer ihren europäischen Partnern gefallen und es wird in Zukunft auch so sein,“ so Peter Pellegrini.