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Lesezeit: 4 Minuten

Von Olivier Bault.

Polen – Zwei vom PiS gewonnene Wahlen, unverschämt gute wirtschaftliche Ergebnisse, eine Generaloffensive der LGBT-Lobby und Konflikte mit Brüssel, der partout nicht enden wollen.

Nach dem mittelmäßigen Sieg des PiS und seiner Verbündeten bei den Gemeinde- und Regionalwahlen vom Herbst 2018 rechnete die polnische Opposition mit dem Jahr 2019, um Jarosław Kaczyńskis Partei aus der Macht zu vertreiben. Die Europawahlen im Mai, die angeblich für die Linken und Liberalen günstiger seien, da sie die „Euroskeptiker“ und die ländlichen Wähler weniger interessieren würden, sollten dafür als Sprungbrett dienen. Unglücklicherweise stand schließlich der PiS weit vor der „Europäischen Koalition“ aus Liberalen, post-kommunistischer Linken und  Bauernpartei – die sich an den von den Liberalen der Bürgerplattform angeführten Regierungskoalitionen 2007-2015 beteiligt hatte. Einer der Gründe dieser Niederlage der Opposition ist wahrscheinlich ihre Linkswende bei gesellschaftlichen Fragen, die vom Warschauer Bürgermeister (Bürgerplattform, PO) mit dessen sehr umstrittenen „LGBT-Erklärung“ initiiert wurde, die im Februar den Anfang einer großen Offensive der LGBT-Lobby in Polen gekennzeichnet hatte. Diese Offensive wurde übrigens von einer weiteren gegen die Kirche begleitet, während linke Medien anfingen, über alte echte Fälle der Pädophilie wie mit dem Dokumentarfilm „Sag es bloß niemandem“ aber auch mal mit erfundenen Fällen zu agitieren. Diese Offensive hatte in Wirklichkeit im Herbst 2018 mit dem Start des heftig antiklerikalen Spielfilms „Klerus“ angefangen, für den ungewöhnlich laut in den Medien geworben wurde.

Nach der Niederlage bei den Europawahlen trennte sich die „Europäische Koalition“ in drei Blöcke: Die Liberalen haben den liberal-libertären Kurs innerhalb der Bürgerlichen Koalition (die von der Bürgerplattform angeführt wird, die 2007-2015 zusammen mit dem PSL regiert hatte) beibehalten, die Linke ist noch mehr nach links (im sozialen bzw. im gesellschaftlichen Sinne) gerückt, während der PSL eine konservativere, den christlichen Werten nähere Orientierung eingenommen hat.

Dies hat jedoch die vom PiS geführte Koalition der „Vereinigten Rechten“ nicht daran gehindert, die Parlamentswahlen vom 13. Oktober haushoch zu gewinnen. Man muß sagen, dass er von mehreren günstigen Faktoren profitierte. Einer davon war weiterhin die von den Wählern wahrgenommene Radikalisierung der Liberalen, die sich in der Verteidigung der 2019 in Polen sehr zahlreichen LGBT-Märsche sehr eingesetzt haben, die darüber hinaus sehr aggressiv den Katholiken gegenüber waren, was dem PiS ermöglichte, sich als Verteidiger der polnischen Identität, der Familie und der christlichen Werte darzustellen. Nachdem er über die derzeit in Polen laufende ideologische Offensive in einer Predigt erklärte, dass die „Regenbogenpest“ nunmehr die „rote Pest“ an der Weichsel ersetzt habe, sorgte der Erzbischof von Krakau für Gesprächsstoff in den internationalen Medien. Am Ende des Jahres verabschiedete übrigens das Europaparlament einen Antrag, der Polen wegen dessen Widerstand gegen die in Brüssel sehr beliebte LGBT-Ideologie kritisierte.

Ein weiterer Faktor, der den PiS begünstigte, ist die unverschämt gute Verfassung der polnischen Wirtschaft bzw. die gute Haushaltsführung trotz der (auf polnischer Ebene) großzügigen Sozialpolitik des PiS. Der einzige Schatten im wirtschaftlichen Gemälde, der allerdings erst jetzt Anfang 2020 zum avorschein kommt, ist die jährliche Inflation, die 3,4% im Dezember erreichte und seit 2012 niemals so hoch gewesen war. Aufgrund einer Arbeitslosenrate, die – mit 3,1% gemäß der Eurostat-Kriterien im 3. Quartal 2019 bzw. 5% gemäß der polnischen Berechnung im Oktober 2019 – seit dem Übergang 1989-1990 zur Marktwirtschaft noch nie so niedrig war, ist die Einwanderung von Arbeitnehmern letztes Jahr – mit über 665.000 ausländischen sozialversicherten Arbeitnehmern am Ende des 3. Quartals gegenüber 569.000 ein Jahr zuvor – weiterhin gestiegen. Diese Ausländer sind überwiegend Ukrainer (über 500.000 am Ende des 3. Quartals 2019). Ferner umfasst diese Statistik freilich die Schwarzarbeit nicht, sodass die Gesamtanzahl der in Polen lebenden Ukrainer mit ca. zwei Millionen geschätzt wird.

Anzahl der sozialversicherten Ausländer.

Deswegen bleibt Polen der EU-Mitgliedsstaat, der die meisten Aufenthaltsbewilligungen erteilt. Die 2019 von Eurostat, das Jahr 2018 betreffenden Daten zeigten, dass Polen – wie schon 2017 – das europäische Land ist, das die meisten Aufenthaltsbewilligungen – davon mehr als die Mehrheit zum Zwecke der Erwerbstätigkeit – erteilt. Insgesamt wurden 2018 insgesamt 635.000 Aufenthaltsbewilligungen in Polen erteilt, gegen 544.000 in Deutschland, 451.000 in Großbritannien, 265.000 in Frankreich, 260.000 in Spanien und 239.000 in Italien.

Parallel dazu zeigten die 2019 veröffentlichten Zahlen, dass es 2018 zum ersten Mal seit dreißig Jahren wegen des Brexits und der guten Konjunktur in Polen weniger Polen gab, die im Ausland leben. Allerdings gab es 2018 immer noch 2,45 Millionen Auslandspolen, darunter 2,15 Millionen in Europa (gegen 38 Millionen Einwohner in Polen).

Ferner ist das Jahr 2019 auch das Jahr der Übertragung der unter der Schirmherrschaft der Kommission Juncker initiierten Konflikte zwischen Brüssel und Warschau an den Europäischen Gerichtshof gewesen, wobei das neugewählte Europaparlament und die Kommission Von der Leyen in dem Bereich den eingeschlagenen Weg nicht verlassen wollen. Machen wir uns also auf ein turbulentes Jahr 2020 gefasst: mit der Präsidentenwahl, wo der Amtsinhaber Andrzej Duda als Favorit gilt, und mit der Eskalation der Konflikte mit Brüssel, die von der polnischen Opposition aufgestachelt werden. Bemerkenswert war auch 2019, dass eine Studie der Europäischen Kommission zum ersten Mal seit dem EU-Beitritt Polens zeigte, dass fast die Hälfte der Polen der Ansicht sind, dass es ihrem Land außerhalb der EU besser ginge. Präzisieren wir allerdings, dass diese Studie von anderen widersprochen wird, die zeigen, dass die Polen die EU-Mitgliedschaft ihres Landes trotz der penetranten Einmischung der von Linken und Liberalen dominierten Brüsseler Institutionen weiterhin befürworten. Wie lange noch?

Prozentsatz der Menschen, die dem zustimmen, dass es „ihrem Land außerhalb der EU besser ginge“.

 

Übersetzt von Visegrád Post.